Weltstar-Fado, Noise-Rock und mäßig funktionalen Elektronika: Diese Woche auf der MS Stubnitz
: Abgeschiedene Geräuschhaftigkeit

Nicht etwa, weil man wegen unzufriedenstellender Resonanz das Publikum abstrafen möchte, verlässt die MS Stubnitz in dieser Woche ihren Liegeplatz an der Überseebrücke. Schnöde Sachzwänge sind dafür verantwortlich, dass das schwimmende Off-Kulturzentrum nun für fünf Tage in einem weniger nachtschwärmerfreundlichen Teil des Hafens zu finden ist. Unfreundlicher schon deshalb, weil das „Afrika-Terminal“ am Kirchenpauer-Kai, jenseits des Freihafens und unweit der Elbbrücken, über keine Nahverkehrsanbindung verfügt. Überlegt scheint da die Maßnahme, Besucher per Barkasse von den Landungsbrücken abzuholen (und teils zurückzubringen).

So sollte sich niemand mit dem vermeintlich abgeschiedenen Liegeplatz herausreden können – zumal, wenn die Zubringerfahrt bereits zum Programmpunkt erhoben wird: Am Sonntag beschallt da Edvin Adlers Melodram die Barkasse mit gestrengem Krypto-Pop, während draußen die abendlichen Docks und Verladeanlagen vorbeiziehen. Ein Faden, den dann auf der Stubnitz das Bremer Frickel-Core-Trio Ilse Lau sowie Hamburgs Zimbo mit ihrem zuweilen zickigen Diskurs-Synkopen-Funk bestens weiterspinnen.

Letztere verbindet ein wenig gemeinsame Vergangenheit mit dem kaum massenwirksameren Hamburger Fidel-Bastro-Label, das am Dienstag, 9.9., zur Feier seines elfjährigen Bestehens lädt. Neben einem Soundsystem, das die Coverversionen-Scharlatane Boy Division stellen, kümmern sich Sport und Potato Fritz unter Deck um die Versorgung der Gratulanten mit Stromgitarrenmusik aus bewährter Fertigung: Wo die einen ihren klassischen Trio-Indie-Rock immer häufiger mit ausgearbeiteten Pop-Kunstgriffen durchsetzen, ohne dabei an Schlüssigkeit oder Energie einzubüßen, kommt bei den anderen der grobe Noise-Rock-Keil weiterhin mit schöner Regelmäßigkeit zum Einsatz – immerhin finden sich unter den Bandmitgliedern aber auch ausgewiesene Smiths-Fans.

Auf die mittlere Sensation, den Fado-Weltstar Mísia an Bord des früheren Heringstrawlers begrüßen zu können, ist an dieser Stelle bereits hingewiesen worden. Wenden wir uns also den typischeren Stubnitz-Geschehnissen dieser Querschnitt-Woche zu. Dem traditionellen Übergewicht von elektronischer Musik und DJ-Kultur in allerlei Spielarten arbeiten die restlichen Abende zu: Am Donnerstag, 4.9., treffen bei „Violent Music Against Violence“ Acts wie Low Entropy, Bakalla oder Lonely Freek aufeinander, deren Labels freilich die aufschlussreicheren Namen tragen: Wiederstand, Doomsday oder auch Totalhardcore. Tags darauf läuten Hamburgs notorische Elektro-Prankster von Music For Our Children (MFOC) die Glocken für den „Crap Dance“. Diese Großsause eingeschränkt funktionaler Elektronika zwischen Shoegazer-Schmacht, Zappel-Zisch und -Knister kann mit großen Namen aufwarten: Das Sheffielder Warp-Label leiht seinen DJ N.E.D. aus, dazu reisen unter anderem Thaddi (City Centre Offices, Berlin), Mr Projektile sowie etwa drei Barkassenbesatzungen weiterer Gäste an, im Live-Programm ist das Berliner Techno-Trio Moderat (s. Foto) die Hauptattraktion.

Freunden der weniger geradeaus klopfenden Bassdrum sei der Sonnabend ans Herz gelegt, wenn sich die HipHopper des Altonaer Trainingslagers mit den Junglisten von Pof Pof die Stubnitz teilen: Mad Maxamom, Jake The Rapper und Bruder Garl (Teamsport) rappen, Loco Dante und Mark Boombastik bringen als Human Beatboxes elaborierte Lippenfürze zu Gehör, an den Plattentellern agieren hüben Sir-O und Stöcker Stereo, während drüben Golden Monkey, DJ DC Schuhe und Electric Snake ihre Dinger drehen.

Nochmal anders – und dem postindustriellen Stubnitz-Ambiente vielleicht am angemessensten, klingt es dann am Mittwoch, wenn die einschlägigen Spezialisten der Hörbar zu Elektroakustik und seziertem Klangereignis bitten: Church of Anthrax heißen nicht nur wie ein Album des Minimalisten Terry Riley, mit dessen Ideen scheinbar statischer, kaum irgendwohin drängender Musik haben sie sich offenbar auch beschäftigt. Das Synthetische Mischgewebe dagegen knirscht und zirpt in atomisierter Geräuschhaftigkeit, und manchmal scheint es da sogar ganz kurz, als wäre – ausgerechnet – die Musique Concrète ein neuer Clubtrend.

ALEXANDER DIEHL

„Violence against Violence“: Do, 23 Uhr; „Crap Dance“: Fr, 21 Uhr; „Trainingslager vs. Pof Pof“: Sa, 22 Uhr; Zimbo/Ilse Lau: So, 21 Uhr; Mísia: Mo, 20 Uhr; „11 Jahre Fidel Bastro“: Di, 22 Uhr; Church of Anthrax/Das synthetische Mischgewebe: Mi, 21 Uhr; MS Stubnitz, bis einschließlich 8.9. am Kirchenpauer-Kai/„Afrika-Terminal“ (teilweise sind Zubringerdienste ab Landungsbrücken eingerichtet); ab 9.9.: Überseebrücke; Infos: www.stubnitz.com