Die Uni ist ganz dicht

Erstmals wird an der Universität Hamburg ein Numerus clausus in allen Fächern angesetzt. Fast 19.000 Bewerbungen für 5.300 Studienplätze im Wintersemester. Experten warnen vor „seelischem Knacks“ bei den abgewiesenen jungen Leuten

von KAIJA KUTTER

Seit 1986 ist Axel Schoeler in der Zulassungsstelle der Uni, aber so etwas hat er noch nicht erlebt: „Wir haben ein Viertel mehr Bewerbungen in zwei Jahren. Das ist krass.“ Bereits 2002 stieg die Zahl um 15 Prozent. Zum Wintersemester 2003/2004 erhöht sie sich nun nochmals um 12,9 Prozent auf 18.746. Da es nur 5.300 Plätze gibt, bedeutet dies 13.000 Absagen. Die Bewerbungen kommen überwiegend aus der Metropolregion Hamburg von Schulabgängern, deren Eltern keine Wohnung an entfernten Studienorten bezahlen können.

Die Folge des Ansturms sind aberwitzig hohe NC‘s (Numerus clausus) oder bis zu zehn Semester lange Wartezeiten. Wer ein Abi mit Bestnote 1,5 machte, hat keine Chance, in Hamburg Germanistik zu studieren. Hier kamen 392 Bewerber auf 37 Plätze. Selbst in Völkerkunde (1,7), Kunstgeschichte (1,7) und Biochemie (1,3) hat der einstige Klassenprimus schlechte Karten

Erstmals, so erklärt Axel Schoeler, gebe es für alle der rund 100 Uni-Studiengänge eine Beschränkung. Selbst bis vor kurzem nicht voll ausgelastete Fächer wie Mathematik (2,2) und Chemie (2,6) sind dabei. Nicht nötig sei der NC bei den „Sprachen und Kulturen des Südostasiatischen Festlandes“. Doch auch hier wurde er eingeführt, um den „Loch im Bug“-Effekt zu verhindern.

Der Ansturm ist nicht nur der Beliebtheit Hamburgs geschuldet. „Jeden Tag melden Hochschulen Rekordzahlen“, berichtet Christoph Heine vom Hochschulinformations-System in Hannover, der über den Abiturjahrgang 2002 eine Studie herausgab. Statt bisher zwei Drittel streben nunmehr drei Viertel des Jahrgangs eine akademische Ausbildung an. Seit Jahren lockt die Politik hier mit besseren Arbeitsmarktchancen, zudem fehlt es in Hamburg an Lehrstellen als Alternative.

„Wir gehen zurzeit mit jungen Menschen nicht besonders gut um“, sagt eine Mitarbeiterin der Studienberatung, die ihre Türen auch für abgewiesene Bewerber offen hält. Schlauer sei in jedem Fall, nicht alles auf eine Karte zu setzen und sich nicht nur in Hamburg zu bewerben. Hilfe für Abgewiesene bietet auch „Planquadrat“, ein privates Institut für Bildungsplanung (04103/176 67). Beraterin Gudrun Jaeger rät, binnen vier Wochen Widerspruch gegen die Absage einzureichen und bietet zudem den jungen Menschen ein „Coaching“ an, um die Zukunft zu planen und nebenbei das „angeknackste Selbstvertrauen“ zu stärken. Juristische Beratung für Klagewillige bietet auch der Asta der Uni.

Keine Abhilfe kommt von der Politik. Hamburg sei immer noch „Überanbieter“ von Studienplätzen, sagt Sabine Neumann von der Wissenschaftsbehörde. An den gerade erst beschlossenen „Kapazitätszielen“ werde nichts geändert. Sprich: bis 2009 werden noch mal 15 Prozent der Plätze abgebaut.