„Gejammer teile ich nicht“

Walter Momper (SPD), einziger aktueller Parlamentspräsident, der auch Regierungschef war, sitzt zwar im Föderalismuskonvent, mag aber nicht über Bedeutungsverlust der Länderparlamente klagen

Interview STEFAN ALBERTI

taz: Herr Momper, wenn man die Klagen über schwindenden Einfluss der Länderparlamente hört, ist ihr Job-Timing suboptimal: Da wären Sie mal besser früher Chef im Abgeordnetenhaus und heute Regierender Bürgermeister gewesen.

Walter Momper: Berlin ist da nicht das Maß der Dinge, wegen des Viermächtestatus vor der Wende. Das war eine Situation, in der man viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten hatte als jeder andere Ministerpräsident. Der Regierungschef hat natürlich immer mehr Einfluss als ein Landtagspräsident. Ist aber auch ein schönes Amt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Einfluss und Arbeitsweise der Länderparlamente mit einer besseren Schülermitverwaltung verglichen. Auch Ihr Kollege Spotka aus Sachsen-Anhalt, Chef des Föderalismuskonvents, spricht von einem Aushöhlen der Parlamente.

Ich hab das in der Süddeutschen auch gelesen – das ist Quatsch. Im Vergleich zu anderen Regierungssystemen – England, Frankreich – haben die Bundesländer sehr viel zu sagen. Und was den Kollegen Spotka angeht: Das Gejammere über Bedeutungsverlust verstehe ich nicht und teile ich nicht.

Sie sehen keinen Grund, über zu wenig Einfluss zu klagen und wie Spotka Kompetenzen zurückzufordern?

Wir in Berlin als kombinierte Landes- und Stadtverwaltung haben genug zu gestalten und zu tun. Aber die Kompetenzverteilung Bund/Länder muss überdacht werden.

Das Beispiel Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft zeigt doch, dass es mit der Macht des Abgeordnetenhauses nicht mehr weit her ist: 2002 war das die Entscheidung – doch wenn die EU nicht will, ist der Beschluss nichtig.

Es wird nicht so sein, dass Brüssel ablehnt. Aber das ist ja auch eine Aufgabe, die vom Umfang ...

immerhin 21,7 Milliarden, ein ganzer Jahreshaushalt …

… bei weitem das sprengt, was ein Landesparlament ansonsten an Aufgaben zu bewältigen hat.

Und das heißt für Sie: Och, da kann Brüssel ruhig mitreden?

Das ist ja Wettbewerbskontrolle auf europäischer Ebene und damit ganz was anderes.

Wieso? Wenn Brüssel „Nein“ sagt, kann sich Berlin auf den Kopf stellen – der Beschluss gilt dann nicht.

Das stimmt theoretisch. Aber nach allem, was ich von Wettbewerbsrecht verstehe, ist damit nicht zu rechnen. Und außerdem kann es auch der EU nicht gleichgültig sein, ob eine Institution wie die Bankgesellschaft mit tausenden von Arbeitsplätzen koppheister geht.

Ein kleineres Beispiel: Den Zuschuss an die BVG kann das Parlament nicht länger vergeben, ohne dass sich der EU-Gerichtshof damit beschäftigt.

Natürlich, aber das haben Sie doch in jedem System.

Damit sind wir wieder beim Föderalismuskonvent, der von geschwächten Länderparlamenten spricht. Sie sitzen in dieser Runde und sehen das ganz anders. Was machen Sie dort?

Für die Flächenstaaten stimmt das mit dem Einflussverlust ja viel mehr. Die haben keine Stadt mitzuregieren.

Aber Sie kritisieren das nicht.

Grundsätzlich gilt, dass die Länder bei einer Neuverteilung der Kompetenzen schon aufpassen müssen, dass sie nicht zu kurz kommen. Im Kern geht es doch um die bessere Finanz- und Steuerausstattung.

Gibt es nicht doch Bereiche, in denen Sie sich Kompetenzen zurückwünschen?

Das meiste ist ja aus dem Zwang der Verhältnisse an den Bund gegangen. Nehmen wir mal das Hochschulrahmengesetz. Das ist absolut erforderlich gewesen. Vor den 70ern machte jeder sein Hochschulrecht, wie er es für richtig hielt – das war doch eine Katastrophe.

Es wird oft kritisiert, die Länderparlamente seien zu groß und zu teuer. Das Abgeordnetenhaus hat 141 Mitglieder – sind die alle notwendig?

Ich halte die gegenwärtige Größe für angemessen. Die muss sein, eben weil wir Länderparlament und Stadtverordnetenversammlung zugleich und bewusst Halbtagsparlament sind.

Der Förderalismuskonvent lehnt eine neue Länderstruktur eher ab. Sie als Parlamentschef von Berlin, das die Fusion anstrebt, müssten dagegenhalten.

Ländergröße hat ganz klar etwas mit Macht und Einfluss zu tun. Kleine Länder spielen doch neben NRW kaum eine Rolle. Nehmen wir mal Bremen: Im Zweifelsfall konnte man die mit dem Bau einer neuen Fregatte einkaufen – dann haben die im Bundesrat zugestimmt.

In einer Erklärung des Konvents liest sich das anders.

Das ist doch der kleinste gemeinsame Nenner. Die größeren Länder sind natürlich alle der Meinung, dass dieses Gewürge mit den kleineren Ländern zu Ende sein muss.