Schmuddelige Sommerspiele in Athen

Wenig Grün, fehlende Sonnenkollektoren, zerstörte Biotope, kein Recycling – von der versprochenen „grünen Olympiade“ ist außer der neuen U-Bahn nichts geblieben. Schuld sind Schlamperei und Kostendruck, der die Baufirmen beim Grün sparen lässt

VON NIELS KADRITZKE

Eine grüne Olympiade hatten die Griechen einst versprochen – aber das ist sieben Jahre her. In dem Bewerbungskonzept, das Athen 1997 den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2004 bescherte, spielten Zusagen in Sachen Umweltschutz und Ressourcenschonung eine wichtige Rolle. Anders hätten die Griechen wohl auch kaum einen Zuschlag bekommen, denn das Internationale Olympische Komitee hatte den Faktor Umwelt zur „dritten Säule der olympischen Idee“ erklärt.

Diese Säule ist nun in Athen zusammengebrochen. So jedenfalls urteilt Dimitris Karavellas, Vorsitzender des griechischen Büros des World Wild Fund for Nature (WWF): „ Die Olympischen Spiele von Athen haben keine Chance auf eine Medaille in der Disziplin Umweltschutz.“ Ein Blick auf die wichtigsten olympischen Bauwerke macht dieses Urteil verständlich. Der Wettlauf mit der Zeit, der die Athener Organisatoren bis in die letzten Stunden in Atem hält, gab der Idee einer grüne Olympiade in den vergangenen Monaten endgültig den Rest. Auf dem zentralen Gelände in Maroussi, aber auch rund um die Sportstätten auf dem ehemaligen Flughafen Hellinikon und am Strand von Faliron sind allenfalls Potemkin’sche Grünanlagen auszumachen. Das liegt nicht nur am Termin-, sondern auch am Kostendruck: Die Begrünung auf dem Sportgelände liegt in der Verantwortung der Bauunternehmer. Die mussten aber in den Ausschreibungen oft Festpreise akzeptieren – und sparen nun im Schlussspurt dort, wo sie noch können. So werden etwa Büsche schlicht auf Bauschutt gepflanzt, anstatt teuren Mutterboden heranzuschaffen.

Dass die grüne Offensive versandet ist, hat jedoch vor allem das Athener Organisationskomitee (Athoc) zu verantworten. Der Ausschuss, der die olympiatauglichen Pflanzenarten zu bestimmen hatte, trat erst im Frühjahr 2003 zusammen. Und mit dem Setzen von Bäumen und Büschen wurde erst vor wenigen Monaten begonnen.

So wurde nur ein Bruchteil der geplanten 820.000 Bäume tatsächlich gepflanzt. Dabei hat man auch noch, wie WWF bemängelt, auf Pappeln und Platanen gesetzt, anstatt Sorten zu wählen, die mit weniger Wasser auskommen. Und auch die vielen Rasenflächen, die jetzt mangels Dauerbegrünung in letzter Stunde ausgerollt werden, dürften nach der Olympiade rasch wieder verdorren.

Diese Schlamperei wiegt umso schwerer, als die Organisatoren ein weiteres Versprechen brachen. Hatte man in der Bewerbung noch erklärt, man wolle „die Umwelt nicht nur schützen, sondern durch konkrete Maßnahmen verbessern“ und dafür Sorge tragen, dass Flora und Fauna „durch die olympische Bautätigkeit in keiner Weise beeinträchtigt“ werden, so stellt sich inzwischen heraus, dass die Grünflächen von Athen durch die Errichtung vieler neuer Sportstätten noch weiter reduziert wurden. Die Ruder- und Kanustrecke in Schinia hat sogar eines der wenigen Feuchtbiotope in ganz Attika zerstört.

Auch bei anderen Posten der Ökobilanz fallen erhebliche Defizite an. Aus dem „breiten Einsatz neuer Energien“, den man in der Bewerbung versprochen hatte, ist nichts geworden. Nicht einmal das olympische Dorf bezieht seine Energie aus der attischen Sonne. Von einem „grünen Bauen“ mit umweltfreundlichen Materialien kann keine Rede sein. Und die Chance, ein Müll-Recycling-System zu entwickeln, wurde ebenfalls nicht genutzt.

In seiner Öko-Gesamtbilanz bewertet das griechische WWF die Olympiaplanung auf einer Skala von 0 (schlecht) bis 4 (gut) mit einem Notendurchschnitt von 0,77. Positiv vermerkt werden konnte eine Politur des Stadtbildes, die Athen auch über die Olympischen Spielen hinaus gut getan hat: Viele der das Stadtbild überwuchernden Reklametafeln wurden abgeholzt, die Fassaden klassizistischer Gebäude renoviert, die Fußgängerzonen ausgeweitet. Dazu kommt die größte Errungenschaft, die das Leben der Athener schon jetzt tief greifend verändert: Das öffentliche Verkehrssystem hat sich mit den neuen U-Bahn-Linien, der Straßenbahn und der S-Bahn-Verbindung zum Flughafen wesentlich verbessert. Und die neue Busflotte mit Erdgasantrieb könnte eine verkehrspolitische Wende einleiten, die die bislang notorisch schlechte Athener Luft etwas verbessern dürfte.