Der Grenzgänger

Lafontaine kokettiert mit der Linkspartei – und erntet in der SPD Austrittsforderungen

„Lafontaine hat mit diesem Ultimatum mehr als unsolidarisch gehandelt“

VON DANIEL SCHULZ

Oskar Lafontaine trifft mit seiner Ankündigung, eine neu gegründete Linkspartei zu unterstützen, bei den Initiatoren derselben auf gemischte Gefühle. „Er kann zu uns kommen wie jeder andere auch“, sagte Axel Troost, Mitglied im Bundesvorstand der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG), gestern der taz. Weniger verhalten reagierte der Schweinfurter Gewerkschafter Klaus Ernst, der ebenfalls im Vorstand sitzt. „Es wäre natürlich gut, wenn er kommen würde“, sagte er und fügte hinzu: „Wir freuen uns natürlich über jeden, der bei uns mitmachen will.“ Lafontaine ist allerdings nicht jeder. Das wissen die WASG-Initiatoren, die aus dem Verein bald eine Partei machen wollen – und dafür den populären und populistischen Polit-Profi gut gebrauchen könnten.

Troost und seine Mitstreiter sind so vorsichtig, weil der Ex-SPD-Chef nicht sofort und nur unter bestimmten Bedingungen zu ihnen kommen will. Erst „wenn Schröder seine gescheiterte Politik bis zur nächsten Bundestagswahl fortsetzt“, möchte er gegen die SPD und für eine neue Linkspartei arbeiten. „Diese Gruppierung wird dann von mir unterstützt werden“, sagte er zwar im Interview mit dem Spiegel – ließ aber offen, wie er sich die Unterstützung vorstellt.

Klar ist: Lafontaine ist nicht explizit für die Linkspartei, sondern zuerst einmal gegen den derzeitigen Kurs der SPD. Das Interview dreht sich hauptsächlich um die Agenda 2010 und die Rücktrittsforderung an Gerhard Schröder. Joachim Bischoff, Mitbegründer der Wahlalternative, vermutet daher, Lafontaine wolle mit dem Interview vielmehr die SPD im Saarland vor der Landtagswahl am 5. September unterstützen. „Die versuchen sich von Schröder zu distanzieren“, sagt Bischoff, „und Lafontaine bemüht sich, die Saar-SPD zu stärken.“ Das Drohen mit einem Engagement bei der Wahlalternative sieht Bischoff daher „als Druckmittel gegen Schröder“. Einen Vorwurf macht er Lafontaine daraus aber nicht. „Ich frage mich nur, ob er wirklich glaubt, dass die SPD einfach so einen Kurswechsel machen kann“, sagt Bischoff: „Die SPD hat ihre Wandlung abgeschlossen, von einer linken Volkspartei hin zu einer Partei, die 25 Prozent noch wählen werden.“ Ob man Lafontaine als prominenten Kopf in der WASG überhaupt braucht, dazu sagt Bischoff: „Ich denke, es geht auch ohne ihn.“

In der SPD riefen die Äußerungen ihres Exvorsitzenden am Wochenende erboste Reaktionen hervor. Neben Parteichef Franz Müntefering warf auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Müller Lafontaine vor, „mit diesem Ultimatum an Schröder mehr als unsolidarisch gehandelt“ zu haben. Andrea Nahles und Juso-Chef Björn Böhning schlossen sich an. Wie könne der frühere saarländische Ministerpräsident Sozialdemokrat bleiben und der Partei gleichzeitig öffentliche Ultimaten stellen? „Was er da macht, ist nicht links“, sagte Müller der taz. „Das ist nicht durchargumentiert und zeigt auch keine Antworten auf die Fragen in einer globalisierten Welt.“ Stattdessen habe Lafontaine persönliche Vergangenheitsbewältigung betrieben.

Fraktionsvorstand Jörg Tauss sagte, es wäre besser für die SPD, wenn der Ex-Finanzminister wirklich ginge: „Reisende soll man nicht aufhalten.“ Und Dieter Wiefelspütz, Innenpolitikexperte der Partei, findet „Lafontaine nur noch peinlich“. Gegenüber der taz sagte Wiefelspütz: „Das ständige Kokettieren dieses Mannes mit einer Rolle, die er gar nicht ausfüllen kann, ist nur noch absurd.“

Dabei ist der Gedanke an eine Linkspartei für Lafontaine kein ganz neuer: Im Sommer 2000 wurde immer wieder gemunkelt, Lafontaine wolle mit dem PDS-Vorzeigemann Gregor Gysi eine Linkspartei aufziehen. Es gab sogar ein gemeinsames Treffen. Später erklärten Gysi und Lafontaine jedoch, man dächte nicht an eine Parteigründung, das Treffen sei rein privat gewesen.

Schon im Sommer zuvor hatte der Saarländer mit der Angst seiner Partei gespielt. Sein Buch „Das Herz schlägt links“ war eben erschienen, die Medien prophezeiten sein Comeback als Anführer der Parteilinken. Nicht dass Lafontaine einen Plan für diesen Fall entworfen hätte, er genoss es aber, die SPD aufzuscheuchen. So gibt es das Oskar’sche Sommertheater auch in diesem Jahr. Folgen wird das aber kaum haben. Laut SPD-Statut droht der Parteiausschluss bei Mitgliedschaft in oder Tätigkeit für eine andere Partei. Noch sei Lafontaine nicht wirklich tätig geworden, heißt es aus der Zentrale in Berlin. „Lafontaine ist klug und bewegt sich immer genau an der Grenze“, sagt Michael Müller.