Der Pfarrer, der gegen das Gesetz verstieß

Der Brandenburger Pfarrer Johannes Kölbel folgte seinem Gewissen. Deshalb wurde gegen ihn ermittelt. Ohne Erfolg

Siebeneinhalb Monate hat das Ermittlungsverfahren gedauert. Nun ist klar: Johannes Kölbel muss nicht vor Gericht. Seit Januar ermittelte die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen den Pfarrer aus dem brandenburgischen Schwante. Der Verdacht: „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt von Ausländern“. Jetzt ist das Verfahren eingestellt worden. Was hier im abstrakten Gerichtsdeutsch daherkommt, meint schlicht Kirchenasyl. Dieses hatten Kölbel und seine Familie von November 2002 bis Januar 2003 dem allein erziehenden vietnamesischen Asylbewerber Xuan Khang Ha und dessen fünfjährigem Sohn gewährt.

Nach dem Ausländergesetz droht Personen, die ausreisepflichtigen Menschen Unterschlupf gewähren, eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Mit Einverständnis des Gemeindekirchenrates Schwante hatten sich Kölbel, dessen Frau Sylke Funk und ihren beiden Kinder trotzdem bereit erklärt, der von Abschiebung bedrohten Familie Ha Unterschlupf im Pfarrhaus zu gewähren. Unter beengten Verhältnissen lebten die sechs Personen zehn Wochen unter einem Dach.

Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt (die taz berichtete). Im Herbst 2002 war Xuan Khang Ha, der 1988 als DDR-Vertragsarbeiter erstmals nach Deutschland eingereist war, bei einem Besuch der Ausländerbehörde festgenommen worden. Ohne seinen Sohn wurde er zur Abschiebung nach Frankfurt/Main gebracht. Das Verwaltungsgericht Potsdam untersagte jedoch die getrennte Abschiebung. Kölbels Gemeinde erfuhr von dem Fall und beschloss, beiden Kirchenasyl zu gewähren.

Am 7. Januar 2003, dem nächsten Termin der Abschiebung und einen Tag nach einer Mahnwache vor dem Landratsamt, brach die Polizei das Kichenasyl. Beauftragt vom Landrat Oberhavel, Karl-Heinz Schröter (SPD), drangen die Beamten in das Pfarrhaus ein und durchsuchten sowohl die Gemeinderäume als auch die Privaträume des Pfarrers. Ha und sein Sohn waren nicht daheim.

Durch das große Medienecho wurde die Angelegenheit Chefsache in Brandenburg. Am 16. Januar fand ein Gespräch zwischen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), dem evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber sowie Landrat Schröter statt. Es wurde festgelegt, dass das Kirchenasyl in Brandenburg zu respektieren sei. Drei Tage darauf stellte Ha Antrag auf Rechtsschutz. Bis darüber entschieden wird, sind er und sein Sohn geduldet. Im Gegenzug nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Kölbel wegen des Kirchenasyls auf.

Dass dieses Verfahren nun eingestellt worden ist, freut den Pfarrer. Er hofft, „dass ebenso das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Ha eingestellt wird“. Seine Entscheidung für das Kirchenasyl hält er nach wie vor für gerechtfertigt. „Herr Ha fühlte sich bedroht und wollte nicht nach Vietnam zurück. Wir haben erlebt, wie groß seine Furcht vor Verfolgung war.“

Zur Einstellung des Verfahrens meint er, das Gericht habe seine Gewissensentscheidung anerkannt. „Auch zukünftig werde ich versuchen, meinem Gewissen zu folgen.“ Da steht der Mann mit der Mütze in guter demokratischer Tradition. In seinem Pfarrhaus wurde im Herbst 1989 die sozialdemokratische Partei Ostdeutschlands gegründet. ANJA MAIER