Rüttgers‘ Sommertheater und Seemannsgarn

Kontroverse um Rechtschreibreform: CDU-Vorsitzender Rüttgers für Rücknahme. SPD sieht „keine Schwierigkeiten“

DÜSSELDORF dpa/taz ■ Die Forderungen nach einen Stopp der Rechtschreibreform hat einen heftigen politischen Streit in Nordrhein-Westfalen ausgelöst. Schulministerin Ute Schäfer (SPD) griff CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers scharf an. „Wer eine Rücknahme der Reform fordert, löst größtmögliche Verunsicherung aus und trägt seine persönliche Profilierung auf dem Rücken der Kinder aus“, so Schäfer gestern. Die Forderung von Rüttgers sei „reines Sommertheater“.

Rüttgers forderte die Ministerpräsidenten auf, die endgültige Einführung der Rechtschreibreform zu stoppen. „Wenn die Ministerpräsidenten nicht handeln, tritt die Reform am 1. August 2005 für alle Ewigkeit in Kraft“, sagte er. Ein Stopp der Reform würde das Chaos bei der Rechtschreibung nicht vergrößern, betonte der CDU-Oppositionsführer: „Das Chaos ist doch schon da.“ Die Schüler lernten etwas anderes als sie in den Zeitungen oder in den Büchern lesen könnten. Rüttgers forderte eine einheitliche Linie bei der Rechtschreibreform. Es gehe nicht um Alleingänge einzelner Länder, sondern um die Rückkehr zur sprachlichen Einheit in Deutschland.

Auch der Verein Deutsche Sprache (VDS) begrüßte die Debatte um die Rechtschreibreform. Dadurch werde das öffentliche Augenmerk verstärkt auf den sorgsamen Umgang mit der deutsche Sprache gelenkt, teilte der Verband in Dortmund mit. Das wichtigste Problem der deutschen Sprache sei jedoch nach wie vor die Verdrängung der deutschen Muttersprache durch das Englische.

Nach den Worten Schäfers bereitet die neue Rechtschreibung in den Schulen dagegen keinerlei Schwierigkeiten. „Im Gegenteil: Schüler und Lehrer berichten, dass sich die neuen Regeln gut lernen und lehren lassen.“ Deshalb sei es unsinnig, die seit sechs Jahren gültige und bewährte Praxis ohne erkennbaren Grund wieder aufzugeben. Eine Rücknahme der Reform sei wegen der dann nötigen Umstellung der Schulbücher sehr teuer. „In Nordrhein-Westfalen würde eine Umstellung mindestens 50 Millionen Euro kosten“, sagte Schäfer. Das sei nicht vertretbar und den Eltern kaum zu vermitteln. „Herr Rüttgers hat da offenbar jeglichen Realitätssinn verloren.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Johannes Remmel, äußerte sich ähnlich: Wegen fehlender landespolitischer Konzepte „spinnt Herr Rüttgers bundespolitisches Seemannsgarn“.