Stadtfinanzen in Bürgerhand

NRW-Innenminister Behrens fordert Kommunen auf, das Modell Bürgerhaushalt umzusetzen. Doch die neue Haushaltsdemokratie ist nicht überall beliebt, obwohl Vlotho damit ein Freibad rettete

VON SEBASTIAN KAYSER

NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) will, dass die Bürger beim kommunalen Haushalt mitrechnen. Nach dem Ende des Modellprojekts „Kommunaler Bürgerhaushalt“ in sechs Städten fordert Behrens alle Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen auf, den Bürgerhaushalt einzuführen: „Ich appelliere an alle Kommunen in NRW, sich an diesen Beispielen zu orientieren und das Modell des Bürgerhaushalts zu übernehmen.“ Doch bei den Teilnehmer-Gemeinden fällt die Bilanz sehr unterschiedlich aus: Möchte die Projektstadt Castrop-Rauxel den Bürgerhaushalt erst einmal nicht fortführen, wurde in Vlotho durch ihn ein Freibad gerettet.

„Die zentralen Bausteine des Bürgerhaushalts sind Information und Transparenz, Konsultation der Bürgerschaft sowie die Rechenschaft gegenüber den Bürgern“, sagt Marga Pöhl von der Bertelsmann-Stiftung, die das Projekt begleitet hat. Allerdings stellt der Abschlussbericht klar: Entscheiden müssen die Politiker. Doch der Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Bürger sei entscheidend für das Verständnis von Sparmaßnahmen, der Gewinn liege dann gleichermaßen bei Stadtverwaltung und Bürger.

In der Stadtverwaltung Castrop-Rauxels sieht man den Bürgerhaushalt offenbar nicht so positiv. „Das Projekt ruht zur Zeit“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Die Kosten den Bürger zu informieren, seien zu hoch. Castrop-Rauxel hatte mit viel Aufwand seinen Bürgern eine Streichliste vorgelegt. Das Interesse, selbst den Rotstift an Bibliothek und Sportförderung zu legen, hielt sich in Grenzen.

Im südwestfälischen Vlotho ist man dagegen von dem Projekt überzeugt. Denn hier verstand man den Bürgerhaushalt als einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit. „Die Kosten für den Flyer betragen zwischen 400 und 1.000 Euro“, sagt Volker Nentwig, Projektkoordinator für Vlotho. Hinzu kämen noch die Portokosten für 1.000 zufällig ausgewählte Bürger, die persönlich zur Info-Veranstaltung eingeladen wurden. Durch das so generierte Bürgerengagement wurde letztlich die Schließung des Waldfreibads verhindert. Ein Förderverein mit 150 Mitgliedern kümmert sich heute um den Kassenbetrieb und die Grünanlagen. „Sie steigern so die Attraktivität des Freibads und senken die städtischen Zuschüsse“, sagt Nentwig.

Auch Hilden versuchte, die Bürger insgesamt für den Haushalt der Stadt zu begeistern. Das Planspiel Hildopoly, ein Mix aus Hilden und Monopoly, und ein Marktplatz der Stadtverwaltung waren ein voller Erfolg. Diese Aktionen wurden gleich zweimal wiederholt. „Wir sind sehr zu zufrieden und machen weiter“, sagt Heinrich Klausgrete, Leiter der Kämmerei. „Der Bürgerhaushalt ist nur der Grund-Einstieg in die Bürgerbeteiligung.“ Durch das Gespräch mit dem Bürger seien unter anderem viele Baumängel aufgedeckt worden, die erst in Jahren mit der nächsten geplanten Begehung entdeckt worden wären. „Das ist ein positiver Nebeneffekt.“ Zukünftig werde auch ohne Landesförderung ein Bürgerhaushalt aufgestellt, verspricht Klausgrete.

Hingegen erlebte die Stadt Hamm bei der Bürgerbeteiligung am kommunalen Haushalt ein Fiasko. Befragt wurden die Bürger zum Thema Radwege. Nachdem aber das Land die Förderung beinahe auf Null heruntergefahren hatte, sei der Rechenschaftsbericht dementsprechend bitter ausgefallen, erläutert Jörg Hegemann, Kämmerer von Hamm. „Den Part Bürgerbeteiligung muss man sich in einer Großstadt gut überlegen, um nicht die Lobbygruppen aufeinander zu hetzen.“ Die Kosten für die jährliche Info-Broschüre in der Tagespresse beliefen sich auf 10.000 Euro und Personalkosten. „An den Finanzmitteln darf ein Bürgerhaushalt nicht scheitern“, aber zukünftig wolle man es bei den Haushalt-Informationen belassen, so Hegemann.

Das Düsseldorfer Innenministerium hat keine Informationen darüber, welche Gemeinden den „Kommunalen Bürgerhaushalt“ nach Beendigung des Modellprojekts übernehmen wollen: „Der Haushalt obliegt den Kommunen, davon kriegen wir hier nichts mit“, sagt Projektleiter Paul Köhler. Aber viele Oberbürgermeister-Kandidaten für die NRW-Kommunalwahl am 26. September haben die Etatdemokratie in ihren Wahlprogrammen, weiß Köhler.

www.buergerhaushalt.de