Susann Stahnke ist schuld

Was passieren kann, wenn der oft Klassenbeste plötzlich nur eine Zwei im Diktat erhält. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), die Reform der Rechtschreib-Reform und die Sommerloch-Debatte

Aus Hannover Kai Schöneberg

Passiert die Reform der Reform, weil ausgerechnet Susann Stahnke den „Großen Deutsch-Test“ gewann? Oder wurmte es den großen Ministerpräsidenten, dass seine Banknachbarin, das Pop-Sternchen Yvonne Catterfield, mit nur 13 Fehlern Dritte beim RTL-Ereignis wurde? Weil er ja „ohnehin immer ein bisschen ein Streber-Image“ hat, war der CDU-Mann Christian Wulff Ende Mai „ohne Vorbereitung“ in die von Hape Kerkeling moderierte Show gegangen – und holte 5,69 Millionen Zuschauer, aber nur eine glatte Zwei im Diktat. Gar nicht so selbstverständlich für Wulff, der in der zehnten Klasse wegen Fünfern in Englisch und Französisch sitzen geblieben war. Und dennoch: Weil er mal nicht Klassenbester wurde, wird das Thema Rechtschreibung nun gnadenlos im Sommerloch verheizt.

Spätestens seit Springer, Spiegel und die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Freitag auf den Schlechtschreib-Zug aufsprangen, sagt auch Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU): „Schluss mit dem Verdruss.“ Dabei hatte Busemann noch im Juni mit allen seinen Kollegen in der Kultusministerkonferenz (KMK) dafür gestimmt, die neuen Regeln im August 2005 verbindlich einzuführen. Die KMK werde das Thema nun im Oktober noch mal „gründlich analysieren“, weil, so Busemann, er „eine Revolte des Volkes“ sehe. Busemann, der einst selbst wegen Mathe und Physik eine Ehrenrunde drehen musste, meinte damit wohl auch die „Bums“-BamS, in der sein Chef Wulff das Thema zwei Wochen nach dem RTL-Auftritt verbraten hatte. BamS-Titel: „Erster Ministerpräsident will Rechtschreibreform kippen“.

Nachdem die ewig rechtschreibreform-resistente FAZ alles noch mal sorgsam aufbereitet hatte, bekam das Thema erst Mitte Juli den echten Sommerloch-„Spin“, als nach und nach Edmund Stoiber (Bayern), Peter Müller (Saarland) und bis heute fünf Ministerpräsidenten aufsprangen.

Nun bekommen deutschlandweit diejenigen Wasser unterm Kiel, die immer schon dagegen waren. Apropos Schleswig-Holstein: Die Schüler im äußersten Norden haben mit der neuen Rechtschreibung, die dort bereits 1996 eingeführt wurde, wechselvollste Erfahrungen gemacht. Schon nach zwei Jahren erreichte ein Volksentscheid einen Stopp der Reform. 56,4 Prozent der Bürger votierten im September 1998 für den Entwurf der Reformgegner. Damit wurde durchgesetzt, dass die 400.000 Schüler des Landes nicht mehr nach den neuen Regeln unterrichtet werden durften. Im Herbst 1999 führte der Landtag dennoch die Reform ein und beendete die so genannte „Insellösung“ für die Schleswig-Holsteiner – schon am 1. August 1998 war die Neuregelung der Rechtschreibung bundesweit in Kraft getreten.

Als „populistisches Theater“ brandmarkte Schleswig- Holsteins Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) denn auch die Rechtschreib-Debatte. Die Reform habe nur einen kleinen Teil der Regeln verändert, sagte die Ministerin. „Eine Rückkehr zur alten Schreibweise sorgt nur für überflüssige Verunsicherung an den Schulen.“ In Mathematik würden zurzeit sogar noch Schulbücher eingesetzt, die noch aus Zeiten vor der Reform stammten. Genau wie Hamburg, Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern lehne Schleswig-Holstein deshalb eine Rückkehr zu den alten Regeln ab.

Vor einer „Machtprobe“ zwischen Politik und Verlagen warnte indes Niedersachsens Grünen-Chefin Brigitte Pothmer. Sie wolle sich „nicht von der Bild-Zeitung und auch nicht vom Spiegel diktieren lassen, wie ich zu schreiben habe“.