Bremen liegt ziemlich weit unten

Die Unternehmensberater von McKinsey haben ihre Meinungsumfrage „Perspektive Deutschland“ regional ausgewertet: Die Bremer sind nicht sehr zufrieden. Für Kitas, Schulen und Arbeitsmarkt gibt’s schlechte Noten

bremen taz ■ Mitten im parlamentarischen „Sommerloch“ flatterte den Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft jetzt ein 86 Seiten starkes Papier auf den Tisch: „Regionalauswertung Bremen“ einer Studie der Unternehmensberater von McKinsey. 450.000 Menschen hatten auf die Online-Umfrage geantwortet, mit 2.400 Direkt-Interviews haben die Sozialwissenschaftler die Antworten so verknüpft, dass sie von repräsentativen Ergebnissen ausgehen.

So haben die Wissenschaftler nach der „Zufriedenheit am Wohnort“ gefragt. Das Ergebnis nach Bundesländern sortiert ist eine klare West-Ost-Tabelle: In Baden-Württemberg, Hamburg und Bayern sind die Menschen überdurchschnittlich zufrieden, in den Ost-Ländern sehr unzufrieden, Bremen liegt ganz unten im Ranking der West-Länder. Dabei ergibt die allgemeinere Frage nach dem „Leben in Deutschland“ ein ganz anderes Bild: Ähnlich wie die Hamburger schätzen die Bremer dies sehr positiv ein. Die meisten finden auch: „Alles in allem lässt sich in Europa gut leben.“ Nur eben am eigenen Wohnort in Bremen weniger. Das Bremer Umland schneidet derweil im Urteil seiner Bewohner genauso gut wie Hamburg ab.

Die Sozialwissenschaftler haben mit einer Reihe von Fragen versucht, die Ursachen der Unzufriedenheit zu hinterfragen – sie haben nach persönlichen Einstellungen und nach allgemeinen Einschätzungen gefragt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Danach gibt es in Bremen deutlich mehr „Skeptiker“ als in den zehn anderen vergleichbaren Großstädten. Die allgemeine Unzufriedenheit sehen die Wissenschaftler in den Antworten zu Rechtsprechung und zum Bundestag bestätigt: In keiner der verglichenen Großstädte beschreiben sich die Menschen als so misstrauisch.

Die Unzufriedenheit konkretisiert sich am stärksten im Bildungsbereich: 17 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt die Zahl derer, die im Kindergarten dringenden Veränderungsbedarf sehen. Sieben Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt die Zahl derer, die dasselbe für die Schulen sagen. „Da sieht man, dass unsere Kritik an der Kindergarten- und Bildungspolitik geteilt wird“, freut sich Karoline Linnert von den Grünen über diese Zahlen. Zwölf Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt erhoffen sich Verbesserungen durch „einheitliche Leistungsstandards über die Bundesländer hinweg“.

Der zweite Bereich, in dem sich die Unzufriedenheit der Bremer konkretisiert, ist der Arbeitsmarkt. Unter den unter-25-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch – nur 65 Prozent dieser Altersgruppe meinen, man könne „alles in allem“ gut leben in ihrer Stadt. Das sind acht Prozentpunkte weniger als der Durchschnitt der größeren Städte. „Nur in Leipzig schätzen noch mehr Menschen ihre eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt als schlecht ein“, fasst die McKinsey-Studie den Städtevergleich zusammen. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, für die Sicherheit des Arbeitsplatzes zwei Stunden länger unbezahlt zu arbeiten, in Bremen zehn Prozentpunkte geringer als im Bundesdurchschnitt.

Auch ein anderer Fragenkomplex dürfte den Politikern noch Kopfschmerzen bereiten: Zehn Prozentpunkte mehr als im Städtevergleich ist die Ansicht verbreitet, bei der Verwaltung gebe es „dringenden Verbesserungsbedarf“. Dabei sind die Bremer nicht reformfreudiger als der Durchschnitt – im Gegenteil.

Wenn man die Zahlen nach Altersgruppen analysiert, ergibt sich im Vergleich der zehn Top-Großstädte ein differenziertes Bild: Während Berlin etwa in allen Altersgruppen ganz unten liegt, Stuttgart oder Köln immer weit oben, sind in Bremen ganz deutlich die älteren Menschen weniger unzufrieden. Unter den 16- bis 29-Jährigen nimmt Bremen den letzten Platz (10) ein, bei den 30- bis 49-Jährigen liegt Bremen auf Platz acht. Bei den 50- bis 69-Jährigen klettert die Zufriedenheit an Dortmund vorbei auf einen Mittelfeldplatz (6) der Top-10-Städte. Die McKinsey-Gutachter erklären das damit, dass insbesondere die Arbeitslosigkeit bei den Jüngeren überdurchschnittlich hoch ist.

Klaus Wolschner

www.perspektive-deutschland.de