Therapie 2 Go

Das ordinäre Duschgel hat längst ausgedient. Heutzutage muss schon ein wenig sinnlose „Wellness“ dabei sein

Ohne Wellness geht nichts mehr in deutschen Badezimmern. Die täglichen fünf Minuten, die der Durchnittsdeutsche gemäß einer Studie unter der Dusche verbringt, sollen möglichst Gewinn bringend angelegt werden, am besten gleich in Form einer Aroma-Therapie. Zahlt zwar die Krankenkasse nicht, kann man aber gleich in einem Abwasch erledigen.

Waren Duschgels, auch abwertend „Duschzeug“ genannt, früher einfach nur fruchtig oder erfrischend, rosa für die Dame, blau für den Herren, so gibt es heute eine für jeden Anlass ausgeklügelte Duft-Pflege-Kombination.

Colgate Palmolive überschwemmt den Drogerie-Markt mit seinen in ovale Flaschen gepressten Therapie-Verheißungen: Ätherische Öle von Sandelholz, Rose und Zedernholz sollen die Sinne beruhigen und für samtweiche Haut sorgen. Die Ökotest-Bewertung des Palmolive-Aroma Duschgels „Energy“ klang weit weniger sinnlich: Polyzyklische Moschus-Verbindungen, Formaldehyd inclusive Abspaltern, Duftstoffe, die Allergien auslösen können: Note „ungenügend“, trotz Nachbesserung des Herstellers.

Die Heilpraktikerin Svenja Zuther empfiehlt daher, unbedingt darauf zu achten, dass die verwendeten Duschgels, in sämtlichen Wellness-Varianten auch bei Discountern wie Aldi oder Lidl erhältlich, nicht mit synthetischen ätherischen Ölen hergestellt wurden. „Mit Aroma-Gels duschen kann erfrischend sein, mehr nicht“, sagt Zuther, nutzen könne eine derart oberflächlich gehandhabte „Aroma-Therapie“ nicht wirklich. Sie empfiehlt ein Aroma-Bad in der Wanne, jenem Ort, der aus dem alltäglichen Gebrauch nahezu verschwunden ist: Baden ist für die duschende Mehrheit ein emotionales Erlebnis, seinen Nutzwert hat es verloren.

Wer noch Arbeit hat, kann sich ein morgendliches Wannenbad nicht erlauben, höchstens ein kaltes à la Ernst Jünger. Entspannung, Anregung, sinnliche Erweckung, all dies muss heute das Duschgel leisten. In fünf Minuten. MARTIN REICHERT