Haftbefehle gegen die Herren Chalabi

Der irakische Politiker Ahmed Chalabi und sein Neffe Salem, Vorsitzender des Saddam-Hussein-Tribunals, sehen sich Vorwürfen der Geldfälschung und des Mordes ausgesetzt. Beide sprechen von „lächerlichen“ politisch motivierten Verleumdungen

von BERND PICKERT

Sofortige Verhaftung droht dem irakischen Politiker Ahmed Chalabi und seinem Neffen Salem, sollten sie in den Irak zurückkehren. Der irakische Ermittlungsrichter Suhair al-Maliki hat am Sonntag gegen beide Haftbefehl erlassen. Ahmed Chalabi, der inzwischen in den USA in Ungnade gefallene Chef des Irakischen Nationalkongresses (INC), wird beschuldigt, Falschgeld in Umlauf gebracht zu haben. Seinem Neffen Salem Chalabi, dem Vorsitzenden des Sondertribunals für das Verfahren gegen den irakischen Expräsidenten Saddam Hussein, wird vorgeworfen, in die Ermordung eines höheren Finanzbeamten im Juni verwickelt zu sein. Sollte Salem Chalabi in einem Prozess im Irak verurteilt werden, droht ihm die Todesstrafe. Derzeit hält er sich in London auf.

Die britische Regierung lehnt seine Auslieferung an den Irak ab. Salem Chalabi selbst erklärte jedoch gegenüber der BBC, er wolle in den Irak zurückkehren, um die Vorwürfe zu entkräften, sobald es für ihn sicher sei. Dreimal sei sein Haus in Bagdad in den vergangenen Tagen beschossen worden, sagte er.

Seine baldige Rückkehr kündigte auch Ahmed Chalabi an, der sich zurzeit zu einem Urlaub im Iran aufhält. Beide wiesen die Vorwürfe als „lächerlich“ zurück und sprachen von politisch motivierten Verleumdungskampagnen. Der Mordvorwurf gegen ihn beeinträchtige schon jetzt die Arbeit des Sondertribunals und könne sich auch auf das Verfahren auswirken, sagte Salem Chalabi. „Der Vorwurf ist wohl, dass ich diesen Finanzbeamten bedroht hätte – und dann ist er getötet worden“, erklärte er weiter. Er könne sich jedoch nicht erinnern, den Mann jemals getroffen zu haben.

Die Anschuldigung des Geldfälschens beruhe auf der Durchsuchung seiner Büroräume im Mai, sagte Ahmed Chalabi. Damals, als er noch in der Gunst der USA stand und Mitglied des von den USA zusammengestellten irakischen Regierungsrates war, habe er in seiner Funktion als Chef des Finanzkomitees Falschgeld eingesammelt, sagte er der Agentur Reuters: „Es sind genau diese Muster, die die irakische Polizei gefunden hat, als sie im Mai illegal unsere Büros durchsuchte.“

Die Razzia im Mai markierte den Wendepunkt im Verhältnis zwischen Chalabi und der US-Besatzungsmacht. Chalabi wurde vorgeworfen, geheime Informationen an die iranische Regierung in Teheran weitergegeben zu haben. Zudem hatten sich viele der von seiner Exilorganisation bereitgestellten Angaben über angebliche Massenvernichtungswaffen als nicht stichhaltig herausgestellt. Die USA ließen Chalabi fallen.

Nur wenige in den USA halten jetzt noch an der Unterstützung Chalabis und seines INC fest, darunter der neokonservative Verteidigungsexperte Richard Perle. Perle klagt jetzt über Ermittlungsrichter Maliki: Der sei ein „schurkischer, außer Kontrolle geratener Richter“, sagte Perle und beschuldigte Maliki der Justizausübung im Stile Saddam Husseins.

Auch die beiden Chalabis charakterisierten Maliki als ehemaliges Mitglied der früher regierenden Baath-Partei. Von offizieller Seite aus hieß es in Washington lediglich, die Angelegenheit sei eine Sache der Iraker.

Nicht wenige Kommentatoren vermuten tatsächlich politische Gründe hinter den Anschuldigungen. Die Veröffentlichung der Haftbefehle just zu einem Zeitpunkt, da sich beide Chalabis im Ausland befinden, könnte zum Ziel haben, sie von der Rückkehr in den Irak abzuhalten und ihnen somit unmöglich zu machen, künftig wichtige politische Rollen zu spielen. Immerhin ist der jetzige Regierungschef Ajad Allawi, ein weiterer langjähriger Partner der US-amerikanischen CIA, ein alter politischer Erzrivale Ahmed Chalabis.