26 Afrikaner im Mittelmeer verdurstet

Holzboot voller Flüchtlinge aus Westafrika von deutschem Frachter gerettet. Diesmal sind Italiens Behörden einsichtiger als bei der „Cap Anamur“. Dennoch droht den meisten der 72 Geretteten die Abschiebung nach Libyen

Zwei Liberianer müssen jetzt als „Schlepper“ mit einem Prozess rechnen

ROM taz ■ 72 Überlebende, 26 Tote – dies ist die vorläufige Bilanz der letzten italienischen Flüchtlingstragödie. In der Nacht auf Sonntag brachte der deutsche Frachter „Zuiderdiep“ die geretteten Bootsflüchtlinge in den Hafen von Lampedusa. Die „Zuiderdiep“ hatte das Holzboot der Afrikaner, das offenbar kurz vor dem Kentern stand, im Ionischen Meer gekreuzt. In Lampedusa wurden 15 der Geretteten in Krankenhäuser gebracht.

Die Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste, aus Liberia und Sierra Leone waren vollkommen entkräftet und dem Verdursten nahe. Übereinstimmend berichteten sie, dass ihr Boot zehn Tage vorher die Fahrt an der libyschen Küste mit etwa 100 Passagieren angetreten hatte, dass aber 26 Menschen die Überfahrt unter der sengenden Sonne und ohne ausreichende Wasservorräte nicht überlebt hätten. Ihre Leichen seien über Bord geworfen worden. Außerdem sagten die Afrikaner aus, sie hätten zwischen 650 und 1.000 Dollar für die Überfahrt von Libyen nach Italien gezahlt.

Anders als bei der „Cap Anamur“ vor einem Monat machten die italienischen Behörden diesmal keinerlei Schwierigkeiten. Sie entsandten noch vor dem Einlaufen der „Zuiderdiep“ in Lampedusa Ärzte auf den Frachter. Gestern berichtete die Reederei Hartmann jedoch, ihr Schiff liege noch immer in dem sizilianischen Hafen Syrakus fest. Dennoch ist mit einer Beschlagnahme wie im Falle der „Cap Anamur“ nicht zu rechnen, auch wenn Italien erneut prüfen möchte, ob die Flüchtlinge nicht „eigentlich“ nach Malta gehört hätten. Gestern meldete das Innenministerium in Rom, die Polizei habe in der Gruppe zwei Liberianer als Schlepper identifiziert und festgenommen. Sie müssen jetzt mit einem Prozess wegen Begünstigung illegaler Einwanderung rechnen.

Die Geretteten dagegen wurden, soweit sie nicht noch im Krankenhaus sind, in jenes Abschiebelager auf Sizilien gebracht, in dem auch die Cap-Anamur-Flüchtlinge eingesperrt waren. Ihnen droht die Abschiebung, wenn sie nicht umgehend einen Asylantrag stellen.

Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu nahm die jüngste Flüchtlingstragödie zum Anlass, um erneut ein Engagement Europas anzumahnen. Nur durch ein koordiniertes Vorgehen zwischen Ausreise-, Transit- und Ankunftsländern sei es möglich, illegale Immigration und Schleuserei zu stoppen. Unmittelbar setzt Italien auf die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Libyen; noch in dieser Woche soll sich ein hoher Beamter des italienischen Innenministeriums nach Tripoli begeben, um die dortige Regierung zu einem energischeren Vorgehen gegen die Schleuser, die von Libyens Küsten aus operieren, zu bewegen. Die libysche Regierung will dafür italienische Hilfe. Libyen ist das derzeit wichtigste Transitland für Migranten aus dem Inneren Afrikas in Richtung Europa. Erst am Wochenende hatte die libysche Regierung bekräftigt, sie wolle sämtliche illegalen Einwanderer zurück in ihre Heimatländer ausweisen, da sie die libysch-europäischen Beziehungen in eine „unangenehme Position“ gebracht hätten.

MICHAEL BRAUN