USA doch keine Supermacht

Besetzung des Irak für USA zu große Belastung. US-Regierung will im Weltsicherheitsrat neue Resolution einbringen. Weitere Staaten sollen sich politisch, finanziell und militärisch beteiligen

BERLIN taz ■ Die USA müssen bis zum nächsten Frühjahr ihre militärische Struktur grundlegend verändern, wollen sie ihre Truppen in unverminderter Stärke im Irak belassen. Zu diesem Schluss kommt ein gestern veröffentlichter Bericht des Congressional Budget Office, des für Haushaltsangelegenheiten zuständigen wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses. Spätestens zwei Jahre nach Beginn der Besatzung, so die Haushaltsexperten, wären die USA nur noch in der Lage, 38.000 bis 64.000 Soldaten im Irak einzusetzen.

Bezieht das Pentagon, abweichend von der derzeitigen Praxis, auch Einheiten der Marines, der Special Forces und der Nationalgarde mit ein, so der Bericht, müssten die Besatzungstruppen immerhin noch auf eine Stärke zwischen 76.000 und 106.000 reduziert werden. Das Congressional Budget Office geht bei seinen Berechnungen von der Prämisse des Pentagons aus, dass die USA jederzeit in der Lage sein sollen, in zwei Regionen Krieg zu führen. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Berichts wurde gestern bekannt, dass US-Präsident George W. Bush Außenminister Colin Powell autorisiert hat, in den UN-Sicherheitsrat einen neuen Resolutionsentwurf einzubringen, mit dem weitere Regierungen dazu bewegt werden sollen, Truppen zu entsenden. Bush scheint aber darauf zu bestehen, das Oberkommando über alle im Irak stationierten Truppen bei den USA zu belassen.

Während noch unklar ist, ob die USA mit Hilfe einer neuen Resolution neue Koalitionspartner für den Irak gewinnen können, übernahm gestern Polen das Kommando über eine eigene Besatzungszone im Irak. Gemeinsam mit Truppen aus 20 weiteren Staaten sind die polnischen Streitkräfte für das Gebiet rund um Nadschaf zuständig. Wegen des Anschlags in der vergangenen Woche soll die Stadt selbst jedoch zunächst noch von US-Soldaten kontrolliert werden.

Deutsche Soldaten sollen dagegen nach Angaben aus Berlin selbst für den Fall eines UN-Mandats nicht in den Irak. „Wir wissen noch nicht, in welche Richtung die US-Initiative geht“, sagte gestern der für Außenpolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Solle nur ein Teil der Verantwortung an die UN übergeben werden, bliebe dies „hinter den Vorstellungen der europäischen Partner zurück“. Auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sah gestern „keinen Anlass, dass sich Deutschland engagieren sollte, auch wenn es ein UN-Mandat gäbe oder gibt“.

Die Situation im Irak und ein von den Besatzungsmächten unabhängiger Fonds für den Aufbau des Landes sollen auch Thema bei dem morgen beginnenden Treffen der EU-Außenminister sein. ERIC CHAUVISTRÉ

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