Köln vertreibt seine Künstler

Keine Stadt ist von Künstlerabwanderung so betroffen wie Köln. Grund: Die Mieten für Atelierräume sind unbezahlbar, und mit den ehemaligen Industriearealen haben Stadt und Investoren anderes vor

Von Anja Dorn

Die Kölner Ateliersituation wird allmählich zu einem Strukturproblem. Die Schwierigkeit, in Köln ein bezahlbares Atelier zu finden, ist immer noch einer der Hauptgründe für Künstler, nach Berlin zu ziehen, wo man neben billigen Räumen eine internationale Kunstszene, hervorragende Theaterproduktionen und Großstadtflair geboten bekommt. Dinge, mit denen Köln längst nicht mehr aufwarten kann.

Von der Künstlerabwanderung ist keine andere Stadt so stark betroffen. Schließlich gibt es hier keine Akademie, die wie in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg oder Leipzig für ein stetes Kommen und Gehen sorgen würde. Der Medienkunstbereich der Kunsthochschule für Medien (KHM) ist mit 250 Studenten eher klein. Kurz, Köln hat im Bereich der zeitgenössischen Kunst ein Nachwuchsproblem. Die von der Politik so gelobte freie Kunstszene gehört der Altersgruppe ab vierzig an und ist damit längst überaltert.

Das Kulturamt ist um die Ateliersituation bemüht, auch wenn die Mittel begrenzt sind. WinfriedGellner vom Kulturamt ist erstaunt, „dass einer Stadt, die so pleite ist wie Berlin, immer noch über eine Million Euro für Mietkostenzuschüsse zur Verfügung stehen.“ In Köln gibt es nur rund 50.000 Euro an Renovierungszuschüssen.

Lokale Kunstzentren

Das Ziel des Kulturamts, die Atelierzahl in den nächsten Jahren auf 200 zu erhöhen, scheint allerdings realistisch. 150 durch das Amt vermittelte Plätze gibt es bereits. In der Lotharstraße in Sülz entstanden jüngst 16 und in Dünnwald 20 Ateliers. Auch an der Longericher Straße versucht man, mit städtischer Hilfe 40 Atelierplätze einzurichten. Ob diese aber die Auflösung des ehemaligen Ausbesserungswerks in Nippes ausgleichen oder die seit Juni per Klage geräumten Ateliers im ehemaligen Sidol-Werk in der Eupener Straße, wo einst über 60 Künstler gearbeitet haben, ist fragwürdig. Auch der Erhalt der Kunstetage und des Gebäude 9 in Deutz ist unwahrscheinlich. Gemeinsam mit den KunstWerken bilden sie eines der wichtigsten lokalen Kunstzentren, in denen spartenübergreifend mit Musik und Kunst gearbeitet wird.

Von der Auflösung der Ateliers auf diesen ehemaligen Industriearealen sind auch etablierte Künstler betroffen. Thomas Rentmeister zieht nach dem Verlust seines Studios in der Eupener Straße nach Berlin. Der Bananensprayer, Thomas Baumgärtel, dessen Atelier auf dem Gelände der ehemaligen Clouth-Gummiwerke in Nippes der Abriss droht, überlegt, sich im Ruhrgebiet nach neuen Fabrikräumen umzusehen. „Der Industriearchitektur gibt man dort einen ganz anderen Stellenwert. So schöne Hallen wie in den Clouthwerken stünden längst unter Denkmalschutz“, meint Baumgärtel.

Im Gegensatz zum Sidol-Werk, wo der Immobilienhändler Lammerting versucht, in zweiter Instanz gegen den Denkmalschutz des 1928 errichteten Komplexes zu klagen, um den Abriss zu ermöglichen, liegt das Schicksal des Clouth-Geländes in den Händen der Stadt. Bisher arbeiteten dort 70 Künstler und kümmerten sich um den Erhalt der Anlage, von der nur der Eingang unter Denkmalschutz steht.

Die Stadt hat ihre Pläne zur Umgestaltung des Geländes für gemischtes Wohnen bereits vorgestellt. Ateliers sind dort nicht vorgesehen. Die Mietverträge der Künstler laufen Ende nächsten Jahres aus und das Schlimmste bleibt zu befürchten. Marlu Raabe vom Bundesverband Bilder Künstler (BBK) in Köln erklärt, dass „nach Meinung von Immobilienhändlern der Quadratmeterpreis in Nippes mittlerweile so hoch ist, dass sich die Einrichtung von billigen Ateliers nicht lohnt“.

Gerade weil die Stadt Köln die Hausherrin ist, sehen sich die Künstler chancenlos. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Stadt ihrer Vorbildfunktion bewusst wird und wenigstens einen Teil der Atelierplätze rettet. Schließlich geht es bei den Ateliers um einen wichtigen Standortfaktor für die Kunst- und Medienstadt. Und die Nähe zu einer aktiven Kunstszene hat sich auch in anderen Stadtteilen wie dem belgischen Viertel oder in der Südstadt für Immobilienbesitzer bezahlt gemacht.

Darüber hinaus geht es in den genannten Fällen um den Erhalt der wenigen Industriedenkmäler, die Köln zu bieten hat. Die Bedrohung der Gebäude macht die verfehlte Entwicklungspolitik der Stadt deutlich, die ihre kulturellen Qualitäten und ihr historisches Potenzial nicht erkennt und oft den schnellen Verkauf oder Abriss einer nachhaltigen Baupolitik vorzieht. Das wird auch bei der Erwägung, die Oper – ein Prachtbau der 50er Jahre – abzureißen, deutlich.

Angesichts dieser Situation erscheint die Einrichtung eines Atelierstipendiums durch die Imhoff-Stiftung mit zehn Plätzen im Kölnischen Kunstverein und zehn weiteren im Schokoladenmuseum wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn die Anbindung der künstlerischen Produktion an den Kunstverein, als Ausstellungsinstitution, ein wichtiges Signal setzt.

Lösung: Zwischenmiete

Gegen die Angst vieler Immobilienbesitzer, dass man Künstler, hat man sie einmal im Haus, nicht wieder los wird, hat sich die Imhoff-Stiftung abgesichert, indem sie die Ateliers an ausgewählte Künstler für eine festgelegte Zeit über eine zwischengeschaltete Institution vergibt.

Dem Beispiel ist bereits ein Unternehmer gefolgt, der nun vier Ateliers in der Kölner Innenstadt zur Zwischenmiete freigegeben hat. Man kann nur hoffen, dass diese Methode Vorbildfunktion für andere Immobilienbesitzer der massenhaft leer stehenden Büroräume in der Kölner Innenstadt hat. Dass man auf diese Art und Weise gar ein internationales Atelierprogramm ins Leben rufen könnte, wird wohl ein Traum bleiben.