Nachtschicht in St. Georg

Die Fixerstube Drob Inn hat seit Jahresbeginn auch nachts geöffnet. Ob das künftig so bleiben kann, entscheidet sich in den nächsten Wochen

von Marc-André Rüssau

Kaputt, ausgerechnet in der bisher heißesten Nacht des Sommers. Seit die Lüftung den Geist aufgegeben hat, herrscht drückende Schwüle im Nachtcafé. Ein kleiner Ventilator, auf ein geöffnetes Fenster gerichtet, hilft wenig. Dafür piesacken jetzt Mücken die Drogenabhängigen, die hier auf einen Platz in den beiden Konsumräumen des Drob Inn warten.

Der Name, Nachtcafé, schmeichelt: Nur mit ein paar Stühlen und Metalltischen ist der karge Raum im Foyer des Wüstenrothauses am Besenbinderhof ausgestattet. In das ehemalige Bürogebäude waren die Drogenhilfeeinrichtungen Drob Inn und Nox im vergangenen Jahr gezogen. Jedes laute Wort hallt hier von den Betonwänden wider. Das lässt die Stimmung aggressiv wirken. 45 Leute dürfen hier drinnen sein, wenn Stress droht, weniger. Die meisten sitzen an den Tischen. Einer hat seinen Schlafsack in einer Ecke ausgerollt und kaut liegend auf einem Brötchen. Ein anderer geht nervös von Tisch zu Tisch. Weitaus mehr Männer und Frauen stehen oder hocken im gleißenden Flutlicht vor der Tür. Auch nachts halten sich mehr als 100 Abhängige rund um das Drogenhaus auf. „Einige sind hier von morgens bis nachts, alles spielt sich für sie zwischen Wüstenrothaus und Hauptbahnhof ab“, sagt Hanno Behrendt, „das hier ist ihr Lebensmittelpunkt.“

Für Sozialpädagoge Behrendt ist es der Arbeitsplatz. Er verbringt im Café jede Woche zwei bis drei Nachtschichten, von 20 bis 5.30 Uhr berät er die Junkies. „Ein anstrengender, intensiver Job“, sagt Behrendt, dem die Hitze den Schweiß auf die Stirn treibt, „man hat mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun, auf jeden muss man sich neu einstellen“. Katrin, eine von vier studentischen Hilfskräften im Café, gehen einige der Schicksale noch lange nach: „Beispielsweise wenn Schwangere hierher kommen.“

Peter kommt regelmäßig. Der 38-Jährige sitzt an einem der Tische und trinkt Saft aus einem Plastikbecher. Er kommt meistens nachts: „Der Konsum lässt mich nicht schlafen“, erklärt er. Hauptsächlich raucht er „Steine“ – Crack, mit Backpulver versetztes Kokain. Eine Droge, die den Markt in Hamburg seit ein paar Jahren verändert hat. Mittlerweile ist sie so beliebt, dass reines Kokain nur noch schwer zu bekommen ist. Zu Crack verarbeitet ist der Gewinn für die Dealer größer. Heroin, das spritzt Peter „nur noch zum Runterkommen“.

Peters Sucht begann 1993 im Knast. Ihm geht es besser als den meisten hier. Er lebt nicht auf der Straße, sondern in einer WG. Seine Mitbewohner sind clean – deswegen muss Peter sein Zuhause verlassen, um zu konsumieren. Weil ihm Crack und Heroin noch Platz für ein geordnetes Leben lassen, will er sich scharf von den anderen Junkies abgrenzen: „Wie die sich gehen lassen! Jeder kann hier duschen, aber kaum einer mach das“, sagt er, und nimmt noch einen Schluck aus dem Becher. Das Nachtcafé erleichtert es ihm, nicht selbst Teil der offenen Drogenszene zu werden: „Gäbe es das nicht, wäre ich wieder in Treppenhäusern zugange.“

Ob das Nachtcafé auch im kommenden Jahr geöffnen hat, steht derzeit auf der Kippe: Die Stadt hat die Mittel nur für ein Jahr bewilligt. Ob es weitergeht, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Würde das Drob Inn seinen Nachtbetrieb einstellen, rechnet Behrendt mit gravierenden Auswirkungen für St. Georg: „Selbst die Polizei schickt Konsumenten hierher, wenn sie im Stadtteil auffallen.“ Schließlich ist das Café die einzige Alternative, die dann zum Konsum auf der Straße bleibt. Der Bedarf wird an den Nutzungszahlen deutlich: 12.000 Mal konsumieren die Junkies hier pro Monat – fast die Hälfte kommt nachts.