Deutsche Rüstungsindustrie belauert sich

Der Panzerbauer Rheinmetall soll gerüchtweise verkauft werden. Bundesregierung könnte bei Abwanderung der Militärtechnik ins Ausland aber eingreifen – und soll dies nach Meinung von SPD- und CDU-Politikern unbedingt tun

Die Familie des „Herrgotts von Völklingen“ nutzt günstigen Zeitpunkt

VON REINER METZGER

Ein weiterer deutscher Rüstungskonzern steht laut Berichten vor dem Verkauf. Verschiedene Zeitungen schrieben in den vergangenen Tagen, dass die Industriellenfamilie Röchling ihren 42-prozentigen Anteil am Rüstungs- und Autokonzern Rheinmetall abgeben will. Als Käufer sind jeweils verschiedene US-amerikanische Investorenunternehmen im Gespräch. Bestätigungen waren von keiner Seite zu erhalten.

Der Verkauf ist ein Politikum, weil seit diesem Monat die Bundesregierung per novelliertem Außenwirtschaftsgesetz ein Vetorecht in solchen Fällen hätte. Für deutsche Rüstungsfirmen gilt: Sobald mehr als 25 Prozent einer Waffenfirma an ausländische Investoren gehen, kann der Wirtschaftsminister den Kauf untersagen – wenn diese nach Meinung der Bundesregierung gegen die sicherheitspolitischen Interessen des Landes verstoßen.

Da noch nichts offiziell ist, sagt das Wirtschaftsministerium nichts. Hans-Peter Bartels, stellvertretender sicherheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, meinte gestern jedoch: „Es wäre sehr enttäuschend, wenn blankes Verkaufsinteresse von Seiten des Eigentümers sich durchsetzen würde.“ CDU-Kollege Bernd Siebert meinte im Handelsblatt, ein Verkauf sei nicht im deutschen Interesse.

Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Damit würde die Familie Röchling einen guten Schnitt machen. Die Röchlings stammen ursprünglich aus dem Saarland. Ihre Firmen stiegen vom Kohlehandel im 19. Jahrhundert zu bedeutenden Waffenbetrieben des Deutschen Reiches auf. Hermann Röchling (1872–1955) wurde der „Herrgott von Völklingen“ genannt.

Die inzwischen weitgespannte Familie hält Beteiligungen an mehreren hundert Firmen. Die wichtigste ist jedoch die Kontrolle der Rheinmetall über die Röchling Industrie Verwaltung GmbH. Rheinmetall liefert der Autoindustrie über die Tochter Kolbenschmidt Pierburg zu. Bekannt sind sie weltweit auch als Panzerhersteller (Teile des „Leopard“, der Ortungspanzer „Wiesel“ und andere) sowie bei Rüstungselektronik (STN Atlas).

Bisher war Rheinmetall eher als Kandidat für Aktienkäufe an anderen Rüstungsfirmen ins Gespräch gebracht worden. So will etwa der Siemens-Konzern seine 49 Prozent am zweiten deutschen Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) loswerden. Auch andere Sparten wie etwa der Militärschiffbau sehen die Notwendigkeit von Fusionen. Nur so fühlen sie sich gegen die übermächtige Konkurrenz aus den USA gerüstet.

Was möglich ist, zeigt dabei die Fusion in der Luftfahrt. Nachdem die europäischen Passagierflugzeugbauer (unter anderem Daimler-Benz) zur EADS fusionierten, konnten sie der bis dahin vorherrschenden US-amerikanischen Boeing erfolgreich Paroli bieten. Im Rüstungsbereich ist von Gleichstand keine Rede. So liefere die US-Industrie derzeit 20 Prozent der europäischen Beschaffung, moniert der Chef des französischen Rüstungsriesen Thales, Denis Ranque, im Juli in der Financial Times Deutschland – während die Europäer weniger als ein Prozent der US-Beschaffung beisteuerten.

Dass der Staat in der Militärbranche ein gewichtiges Wort mitredet, zeigt sich laut Hans-Peter Bartels im Fall der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW). Den Werftenkonzern –bekannt vor allem für seine U-Boote – wollte Thales schlucken. Nach Gesprächen zwischen Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chiraq erklärten die beiden Politiker jedoch, dass es keine wechselseitigen Übernahmen geben soll gegen die Interessen der deutschen Regierung. Thales gab den Übernahmeversuch daraufhin auf.

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