„Ich bin stolz auf dieses Haus“

Der Tag des offenen Denkmals am nächsten Wochenende steht unter dem Motto „Geschichte und Kunst hautnah – Wohnen im Denkmal“. Ohne das Engagement der Eigentümer wäre die beliebte Veranstaltung für ein breites Publikum undenkbar

„Keine Behörde weist die Leute von oben an, die Menschen öffnen freiwillig ihre Tür“

von RUDI NOVOTNY

Der Kindheitstraum von Andreas Lange ist außen beige-rot, innen grün und „auf jeden Fall nicht normal“. Normal heißt in diesem Fall viereckig. Denn viereckig ist jedes Haus. Andreas Lange aber wollte etwas anderes: „Schon als ich Anfang 20 war, wollte ich besonders wohnen. In einem Loft oder etwas Ähnlichem.“ Er hat es geschafft. Mittlerweile lebt der 47-Jährige in dem ehemaligen Laboratorium des Vereins deutscher Portland-Cement-Fabriken in Karlshorst.

Ende letzten Jahres hat er das 3.500 Quadratmeter große Grundstück gekauft. Zwei ineinander verschachtelte Haupt- und mehrere Nebengebäude stehen darauf. Noch ist die Restaurierung nicht abgeschlossen, aber „bis Ende des Jahres“ sollen die Bauarbeiten weitgehend beendet sein. Trotz des unfertigen Zustands öffnet Lange beim Tag des offenen Denkmals sein Heim für die Öffentlichkeit: „Ich bin einfach stolz auf dieses Haus.“

Mit seinem Engagement steht er nicht alleine da. Viele der 240 Veranstaltungen können nur deshalb stattfinden, weil Hausbesitzer für eine gewisse Zeit die Türen ihres denkmalgeschützten Eigentums öffnen – und das ohne Kosten. Denn das Landesdenkmalamt könnte die mittlerweile auf vier Tage angewachsene Veranstaltungsreihe sonst nicht bewältigen. „Unser Budget hat ein Volumen von ungefähr 100.000 Euro, davon können wir gerade solche Dinge wie den Internetauftritt oder das Programmheft bezahlen“, erklärt Christine Wolf. Die Mitarbeiterin des Landesdenkmalamtes freut sich über das Engagement der Denkmaleigner: „Keine Behörde weist die Leute von oben an, die Menschen öffnen freiwillig ihre Tür.“ Die ganze Sache sei eine „Graswurzelbewegung“.

Eine äußerst erfolgreiche Graswurzelbewegung, wenn man sich an den Zahlen orientiert. 60.000 bis 65.000 Besucher werden erwartet, in etwa die Zahl des Vorjahres. Sie alle sollen, so Wolf, „für den Denkmalschutz sensibilisiert werden. Wenn man erreichen möchte, dass die Leute Denkmäler schützen, dann muss man Denkmäler erfahrbar machen.“

Ein geglücktes Unterfangen, zumindest wenn man Jörg Haspel glauben darf: „Man hat den Eindruck, dass Denkmäler derzeit Konjunktur haben.“ Einen Grund dafür hat der Berliner Landeskonservator auch schon ausgemacht: „In einem Denkmal wohnt man unverwechselbar.“

Der Traum vom bewohnten Denkmal erfüllt sich nicht nur für Finanzkräftige. Denn selbst der soziale Wohnungsbau gilt mittlerweile als denkmalwürdig. Zumindest der der Zwanzigerjahre. Sechs Siedlungen, darunter die Siedlung am Schillerpark im Wedding und die Fritz-Reuter-Stadt in Neukölln-Britz wurden von der Kultusministerkonferenz auf die Anmeldeliste für die Welterbekonvention der Unesco gesetzt. Für Haspel eine gute Entscheidung: „Hier hat das Who’s who der damaligen Siedlungsarchitekturwelt mit einem visionären Ziel gebaut. Man wollte mit Hilfe dieser Architektur nicht nur Häuser bauen, sondern eine neue Stadt, einen neuen Menschen, ja sogar eine neue Gesellschaft.“ Die Menschen, die dort wohnen, meint Haspel, „sollen ruhig stolz auf ihre Siedlung sein. Schließlich könnten sie bald in einem Weltkulturerbe leben. Und das ist ja wohl etwas sehr Exklusives.“