Null Interesse an soliden Finanzen

Nach dem Debakel mit der HSH Nordbank waschen Hamburgs SPD und Schleswig-Holsteins CDU ihre Hände in Unschuld. Verantwortlich für Milliardenverluste sei die Inkompetenz der anderen. Steuerzahler würden über weitere Risiken getäuscht

Die Kandidatenaufstellungen für die Bundestagswahl am 27. September gehen weiter. Hamburgs SPD wählte auf ihrem Parteitag am Samstag Bundesarbeitsminister Olaf Scholz mit 98 Prozent zum Spitzenkandidaten. Der Altonaer erhielt 297 von 303 Stimmen. Dahinter folgt die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Aydan Özoguz aus Wandsbek, die sich in einer Kampfkandidatur gegen Sylvia Wowretzko aus Nord mit 216 : 102 Stimmen klar durchsetzte. Sie hat über die Liste aber nur eine Chance, wenn zwei der sechs Hamburger Wahlkreise nicht – wie 2005 – von den sechs männlichen SPD-Kandidaten direkt gewonnen werden. Die Liste der CDU in Schleswig-Holstein wird angeführt vom Fraktionschef im Kieler Landtag, Johann Wadepfuhl. Ihm folgen der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im Bundestag, Ole Schröder (37), die Kieler Kommunalpolitikerin Michaela Pries (43) und der langjährige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Börnsen (66). In Berlin ist Schleswig-Holsteins CDU derzeit mit acht Abgeordneten vertreten, davon sechs Direktkandidaten.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Schuld haben immer die anderen. Und beim Nordbank-Debakel erst recht. Nach diesem altbekannten Motto verfuhren am Wochenende Parteitage der Hamburger SPD und der schleswig-holsteinischen CDU. Am Rande der Kandidatenaufstellungen zur Bundestagswahl (siehe Kasten) wurden fleißig Hände in Unschuld gewaschen.

Hamburgs Ex-Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) machte Finanzsenator Michael Freytag und Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner (beide CDU) für den Fast-Kollaps der HSH Nordbank mitverantwortlich. Ursache dafür sei die Privatisierungsstrategie des CDU-Senats gewesen, sagte Runde am Sonnabend vor den gut 300 Delegierten der Hanse-SPD. Als Finanzsenator und Bürgermeister war Runde von 1993 bis 2001 Mitglied im Aufsichtsrat der Hamburger Landesbank (HLB) und zeitweilig dessen Vorsitzender. Die HLB wurde 2003 mit der schleswig-holsteinischen Landesbank zur HSH Nordbank fusioniert.

Es sei nicht glaubwürdig, dass der gelernte Bankkaufmann Freytag nichts von der jetzt bekannt gewordenen Ausschüttung in Höhe von 200 Millionen Euro an stille Teilhaber gewusst haben will, befand Runde. Unvorstellbar sei es, dass ein Vorstand angesichts eines Verlustes von 2,8 Milliarden Euro von sich aus derartige Summen ausschüttet, ohne mit dem Aufsichtsrat und den Anteilseignern zu sprechen. Und kein Vorstand würde „von sich aus neue Geschäftsfelder einführen“, ohne dies „mit den Anteilseignern und Aufsichtsräten sorgsam zu beraten“, sagte Runde.

Sollte Freytag aber von den Vorgängen wirklich nichts gewusst haben, „dann hat er seine Aufsichtspflichten nicht wahrgenommen“. Mit einer verantwortlichen Führung eines Unternehmens habe das auf jeden Fall nichts zu tun, kritisierte Runde.

Hamburg und Schleswig-Holstein hatten vorigen Dienstag eine Kapitalspritze von drei Milliarden Euro und eine Sicherheitsgarantie über zehn Milliarden für die Nordbank beschlossen. Das Institut weist für 2008 einen Verlust von bis zu 2,8 Milliarden Euro aus und will 1.100 Stellen bis Ende 2012 abbauen.

Runde bezweifelt zudem, dass die Finanzspritze ausreichen wird. „Da habe ich mindestens drei Fragezeichen.“ Auch sei er sich bei den zehn Milliarden Euro Garantien keinesfalls sicher, dass dies den Steuerzahler nicht teuer zu stehen komme. „Bisher wird ja immer so getan, als handle es sich um Spielgeld.“ Doch die Gefahr, als Bürger tatsächlich in Anspruch genommen zu werden, sei sehr hoch. Runde: „Die Aussage, das Ganze ist zum Nulltarif zu haben und der Steuerzahler ist gar nicht betroffen, ist vorsichtig gesagt, eine Täuschung.“

Nach Einschätzung des Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes Schleswig-Holstein, Jörg-Dietrich Kamischke, muss die Nordbank in der Tat in diesem und im nächsten Jahr mit „erheblichen Wertberichtigungen“ im Schiffskreditgeschäft rechnen. „Ob dafür die Kapitalisierung der Bank ausreicht, muss näher untersucht werden“, sagte Kamischke den Lübecker Nachrichten. Die Sparkassen waren bislang mit 14,82 Prozent sind an der Nordbank beteiligt, erwägen aber eine Reduzierung oder Aufgabe ihrer Anteile.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat die Milliardenhilfen für die Nordbank verteidigt. „Jede andere Lösung wäre Schleswig-Holstein noch teurer zu stehen gekommen“, sagte er am Sonnabend auf einem Parteitag in Kiel. Auf Befürchtungen, die Bank könnte sich als Fass ohne Boden erweisen, antwortete Carstensen ausweichend: „Unsere Planungen sehen keine weitere Kapitalspritze vor.“

Umso offener kritisierte er die Führung der Bank und den Koalitionspartner SPD. „200 Millionen Euro an stille Teilhaber auszuschütten, das geht in einer solchen Situation so nicht.“ Deshalb müssten „auch ehemalige Vorstandsmitglieder und leitende Manager“ zur Rechenschaft gezogen werden.

Politisch machte Carstensen die rot-grünen Vorgängerregierungen verantwortlich: „Wer hat denn die Entscheidungen getroffen, die der HSH Nordbank für die Risikogeschäfte freien Lauf ließen? Welche Parteien und welche Personen haben denn für Schleswig-Holstein im Aufsichtsrat der Bank gesessen? Wir waren es nicht.“ Die CDU regiert seit 2005 in Kiel in einer großen Koalition mit der SPD.

Aber so sei nun mal die Finanzpolitik des Koalitionspartners SPD. „Da gibt es“, glaubt Carstensen zu wissen, „null Interesse an soliden Finanzen.“