es gibt kein recht auf heiterkeitsverzicht von WIGLAF DROSTE
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Am 28. August starb der Dichter Peter Hacks. Von niemandem hat die Liebe sich so hingebungsvoll bedichten lassen wie von ihm: „Diese Nacht war von den Nächten, / Wo der Mensch die Liebe spürt, / Wo die Knoten sich entflechten, / Die man ihm ums Herz geschnürt, / Als mein Mädchen zu Besuch kam, / Unerwartet wie ein Lied, / Und wo ich sie auf das Tuch nahm, / Das mein Bette überzieht.“

Peter Hacks war ein schöner Mann, ein feiner Herr von vollendeter Höflichkeit. Ein Zigarettchen nach dem anderen schmauchend, sprach er mit größter Präzision; man hätte mitdrucken können. Noch den nichtigsten Gegenständen und den größten Zumutungen begegnete er mit derselben sprachlichen Hocheleganz, wie er sie in seinen Couplets pflegte: „Du triffst sie besser, wenn du, wenn du klatschst, / An den Heinz Eggert denkst, den du zermatschst.“ Dieses lehrt uns Hacks: Es gibt kein Recht auf Heiterkeitsverzicht. Mit den Plagen der Welt muss man leicht und heiter fertig werden, charmant und reizend.

Wie oft hat man sich in der Bundesrepublik anhören müssen: Geh doch nach drüben! Hacks tat es freiwillig schon 1955. Er blieb funkelnd und maliziös bis zuletzt. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, verfügte er in seinem Testament, wolle er nicht begraben sein – da liege schon Heiner Müller, und mit dem habe er „sich nicht so viel zu sagen, dass es für eine Ewigkeit reicht“.

Drei Tage nach seinem Tod gingen die Süße und ich noch einmal auf die Schönhauser Allee, zu dem Haus, wo in Versalien DR. HACKS an der Klingel steht. Ich las ihr „Richtigstellung“ von Hacks: „Um die Dinge einmal wieder / Ins gehörige Verhältnis zu setzen: ich bin / Ein Eichbaum, ich singe mit tausend Vögeln. / Über mir geht die purpurne Sonne auf, das / Ist deine Liebe. Vorn, links unten, / Sehen Sie einen kleinen, grünen Gallapfel, / Das ist die Welt.“

Über den kleinen, grünen Gallapfel Welt spazierten wir, durch den Berliner Bezirk, den Hacks in seinem Gedicht „Der Verräterball“ so subsumierte: „Prenzlauer Berg, bestaunter Ort der Wunder. / Schlecht für Vernunft, doch gut für jeden Plunder.“ Diesem Urteil widersprechen murrend Taubundblinde; das tun sie immer, wenn Wahrheit sie trifft.

Keine hundertfünfzig Meter von Hacksens Stadtbehausung entfernt wohnt die Süße. Im Gehen fiel der Herbst uns an, Kälte griff nach uns. Wir entwischten, gerade eben noch, und sperrten Herbst und Kälte aus. Warm war das Bett und weich, wie wir. „Die Welt, schon recht“, dichtet Peter Hacks: „Die Welt? Schon recht. Doch wenn dein Fleisch sich straffte, / Wenn anhebt, daß du schön und schöner wirst, / Wenn deine Schönheit sich ins Engelhafte / Verklärt und dann in einem Aufschrei birst, / Und alles Fühlbare in diesem Schrei ist, / Mit dem du aller Wirrsal dich entwirrst / Zu tiefem Ausruhn, und dann nichts vorbei ist, / Die Wirkung nicht des Glücks, unscheidbar in / Dein oder meins, weil zwei schon nicht mehr zwei ist: / Dann erst in Wahrheit schwindet Zweifel hin. // Die Welt, schon recht. Ich liebe, und ich bin.“