Kanzlermund tut Wahrheit kund

Gerhard Schröder (SPD) kann gut mit Kindern, denn er hat selbst eins zu Hause. In der „Logo“-Sendung „Du fragst – der Bundeskanzler antwortet“ (KiKa) geht er auf Erstwählerjagd und beantwortet eigentlich nur die Frage nach dem Katzenklo

von ANJA MAIER

Wenn morgen Wahlen wären, der Kanzler hätte zumindest einige Stimmen mehr. Die nämlich von Vätern und Müttern. Und wäre das Kinderwahlrecht eingeführt – sein Herausforderer könnte einpacken. Denn gestern hat sich Gerhard Schröder eine ganze Stunde beim Wählernachwuchs beliebt gemacht.

Aber es sind keine Bundestagswahlen, es ist schlechtes Wetter in Berlin, es herrscht das politische Tagesgeschäft, und der Kanzler hat am Tag zuvor noch die Grünen „zum Kotzen“ gefunden, weil sie sich nicht zwischen Regierungs- und Oppositionsrolle entscheiden könnten.

Zur Aufzeichnung der Geburtstagssendung von „Logo“, der Nachrichtensendung des Kinderkanals, ist Schröder in den Zollernhof Unter den Linden gekommen. Der Kinderkanal hatte seit 1. August Kinder gebeten, sich mit Fragen, die sie von höchster Stelle beantwortet haben möchten, um den Live-Auftritt bei Logo zu bewerben. „Du fragst – der Bundeskanzler antwortet“ heißt die Runde. 15 Kinder wurden ausgewählt, an ihren Dialekten hört man, dass die Jury tatsächlich aus sämtlichen Regionen dieses Landes Gäste eingeladen hat. Zudem handelt es sich dem Augenschein nach um Kinder im Wortsinn und nicht um naseweise gescheitelte Schlaumeier.

Als auf der Studiobühne Schröder auftaucht, geht ein Kreischen durch die Reihen, wie man es von Popkonzerten kennt: da, da, da! Der Kanzler ist klein, Standbein, Spielbein, Griff ins Haar. Auf die erste Frage, „Wie werde ich Bundeskanzler?“, antwortet er aufgeräumt: „Da kann ich nur zuraten. Am besten ist, du trittst in eine Partei ein – in meine natürlich – und arbeitest da mit.“ Aber zuvor, mahnt er, „musst du einen Beruf haben. Das ist wichtig, damit du, wenn die Leute dich nicht mehr wählen, wieder darin arbeiten kannst.“

Die Antwort auf die Frage „Wie war der Urlaub in Deutschland?“ kostet Schröder ein Lächeln. Ein wunderbarer Sommer sei es doch gewesen, oder? „Ich habe meinen Urlaub in einer großen Metropole, in Hannover, verbracht.“ Leider sei er dann doch nicht so viel zu Hause gewesen bei seiner Familie. Es menschelt so vor sich hin und könnte eigentlich gut so weitergehen.

Doch dann kommt die Frage, warum er „auf die Grünen kotzt“. Dass er bestreitet, dies gesagt zu haben – „So was würde ich nie sagen“ –, geht Minuten später über die Nachrichtenticker der Republik. Der kleine süddeutsche Fragesteller mit dem Ponyhaarschnitt läuft in den Abendnachrichten in den ersten fünf Minuten auf allen Kanälen. Köstlich, diese Kleinen!

Doch was medial immer gut läuft – Tiere und Kinder –, es mag nicht so recht funktionieren. Schließlich sagt ein Kanzler so etwas wirklich nicht, oder? Problematisch, wenn so einer den Wählernachwuchs beschummelt. Schließlich hatte selbst SPD-Fraktionschef Franz Müntefering die Äußerung eingeräumt. Und darin liegt auch das Problem dieser intimen Q&A-Stunde. Schröder beantwortet eigentlich kaum eine Frage wirklich. Nur die, ob er in seinem Haus in Hannover schon einmal das Katzenklo sauber gemacht habe, beantwortet er mit nein, verspricht aber Besserung. Am Sonntag sei er zu Hause, und da werde er das mal machen.

Um alle anderen Fragen – Was ist Politik? Warum gibt es so viele Arbeitslose? Warum sind die Politikhäuser alle neu und die Schulen verfallen? – zieht er große rhetorische Schnörkel. Er gibt sich Mühe, ja er tut keinem weh, er verortet Verantwortung überall, nur nicht bei sich persönlich. Er tut, was Politiker eben so tun. Fordert zu mehr Mitbestimmung auf, rät, wegen der kaputten Schulfenster mal ein ernstes Wörtchen mit dem Bürgermeister zu sprechen. An sich ein Witz, schaut man sich die rot-grünen Lösungsvorschläge zur Gemeindefinanzierung an.

Nur in der Antwort auf die Frage, ob ihn seine Bodyguards auch aufs Klo begleiten, scheint durch, warum ein Kanzler nicht immer weiß, ob er Kindern die Wahrheit zumuten kann: „Wenn ich meine Tür in Hannover hinter mir zumache, bleiben die Bodyguards draußen. Das ist dann aber auch eine besondere Tür.“ Was für eine? „Da kann man nicht durchschießen.“ Und das ist auch aus kindlicher Perspektive ein trauriges Schicksal.