Symphonisches achselfurzen geht

Bei der Popakademie in Hannover zeigen viele „echte“ stars wie Mousse T, bandmitglieder von „Wir sind Helden“, „Guano Apes“ oder „Fury in the Slaughterhouse“ den möchtegern-stars von übermorgen, wie steinig der weg zum ruhm sein kann

Aus Hannover Kai Schöneberg

Sie bemalten ihre t-shirts selbst, um sie nach den konzerten zu verticken, engagierten fans, die ihre textzeilen auf Berliner klowände kritzelten oder sender mit mails bombardierten. Kaum zwei jahre ist das her. Jetzt spricht Jens Eckhoff von „zenit erreicht“ und davon, dass ihm „die entwicklung auch irgendwie angst“ mache, davon, dass seine Band der Plattenfirma „rein vertraglich auch nur symphonisches achselfurzen präsentieren könnte“. Der namensvetter des Bremer CDU-umweltsenators ist keyboarder von Wir sind Helden – und hat es irgendwie definitiv geschafft. Ohne majorlabel in den charts und MTV rauf und runter, vier Echos. Nun ist der 29-jährige sogar zum ersten mal dozent. Beim Popinstitut der Hochschule für Musik und Theater Hannover (HMTH) sitzt Eckhoff alias Jean Michel Tourette inmitten von etwa 20 wissbegierigen, die auch mal stars werden wollen. Thema: „Wie vermarkte ich mich selbst?“

Das Popinstitut ist überbleibsel einer idee von Sigmar Gabriel, dem ersten und letzten pop-beauftragten der deutschen sozialdemokratie. Als ministerpräsident in Niedersachsen wollte Siggi Pop noch eine ganz große nummer aus dem Popinstitut machen und Hannover mit Hamburg und Mannheim gleichziehen lassen, wo es bereits ähnliche projekte gibt. Doch die neue CDU/FDP-landescombo stutzte dem projekt massiv die flügel. Jetzt gibt es das Popinstitut nur noch mit zuschüssen von bund und EU – und nur einen monat lang als sommerakademie.

Dennoch mit „echten“ stars: Mousse T („Sex Bomb“) und Jens Krause von den softpoppern Fury in the Slaughterhouse zeigen „modern producing“. Die Göttinger crossover-band Guano Apes übt beim „rhythmusgruppen-training“. Christof Littmann, der schon für Randy Crawford geschrieben hat, lehrt über „komposition und texte“. Insgesamt nehmen fast 60 werdende musiker, komponisten, texter und produzenten an den jeweils einwöchigen kursen teil.

Website, Gema, verlag, label, vorsicht vor der boulevardpresse – es gibt viele fragen zu beantworten, bis man vom möchtegern zum star-musiker geworden ist. „Du lernst als student musizieren, aber von verkaufen hast du keine ahnung“, sagt Tilmann Weiß (24) aus Schwerin, der im 6. semester populäre musik an der HMTH studiert und später mal in den USA Filmmusik machen will. Kommilitonin Vera Mohrs (23) aus Mainz will eher in richtung singer/songwriter gehen: „Ich will ja nur über die runden kommen – und schreiben und performen“.

Da macht Eckhoff, der selbst mal semesterlang an der HMTH ohne diplom jazzgitarre studiert hat, hoffnung: „Natürlich hat kaum jemand eine chance, wie wir fast 400.000 platten zu verkaufen. Aber es gibt schon die chance, von seiner musik ganz o.k. zu leben“.

Als die Helden entschieden, jetzt erst mal ein ganzes jahr lang nur musik zu machen, musste er seinen eltern verklickern, dass das „quasi wie ein zweites studium“ sei. Sängerin Judith Holofernes kümmerte sich um die pr, bassist Mark Tavassol um das merchandising, schlagzeuger Pola Roy ums bandkonto, während sich Eckhoff als mann von der eigentlich nicht existenten booking-agentur „Rocken und Gerste“ ausgab und großspurig von imaginären tourplanungen berichtete.

Alle angebote, die die selbstkosten deckten, wurden angenomen. Eckhoff: „Bei einer festgage von 300, 400 Euro habe ich luftsprünge gemacht.“ Und das image? Klar, immer schön authentisch bleiben. Eckhoff fand „ja immer uniformität geil, wegen Kraftwerk. Aber wir in anzügen, das sah total behämmert aus“.