„Keine rolle gehabt“

9-11-komplex: ein überraschungsfax aus den USA sorgt für eine entlastende wendung im Motassadeq-verfahren

Es ist wieder ein fax, dass nun auch im zweiten helfer-prozess um die anschläge des 11. septembers 2001 für eine wendung sorgt. Vor dem gestrigen zweiten verhandlungstag im revisionsprozess gegen Mounir El Motassadeq traf beim Hanseatischen Oberlandesgericht überraschend ein schreiben des us-justizministeriums ein, das eine zusammenfassung von verhörprotokollen der beiden in den USA inhaftierten mutmaßlichen chefplaner, Ramzi Binalshibh und Chalid Scheich Mohammed, enthält. Danach habe Motassadeq „keine rolle bei den anschlägen gehabt“, heißt es. Der vorsitzende richter des 4. senats, Ernst-Rainer Schudt, kündigte an, dass das gericht das verfahren nun neu analysieren werde. „Wir müssen überlegen, was daraus folgt.“ Ein fax ähnlichen inhalts hatte im parallelverfahren gegen Abdelghani Mzoudi zum freispruch geführt.

Nach der aussage Binalshibhs waren in Hamburg in die anschlagspläne nur er und die drei selbstmordpiloten Mohammed Atta, Marwan el-Shehhi und Ziad Jarrah involviert. Auch die im komplex flüchtigen marokkanischen tu-harburg-studenten Zakariya Essabar und Said Bahaji seien nicht eingeweiht, die Marienstraße 54 sei keine zentrale einer „hamburger zelle“ gewesen.

In demselben fax kündigte das us-justizministerium an, dass ex-CIA-chef George Tenet aus gründen der nationalen sicherheit in Hamburg nicht aussagen dürfe. Für Motassadeq-verteidiger Josef Gräßle-Münscher ist schon jetzt das schwarze loch „gestopft“, das der Bundesgerichtshof an dem Motassadeq-urteil zu 15 Jahren haft gerügt hatte. „Die angaben sind facettenreich“, sagt der anwalt, „offensichtlich handelt es sich um mehrfach getestete angaben, die dem harten verhör widerstanden haben und im ergebnis den wahrheitsbeweis in sich tragen“.

Denn die vernehmer waren zunächst unzufrieden und vermuteten, beide hätten die „counterinterrogation technics“ (antrainierte verhörresistenz) angewandt. „Die us-regierung hat mit diesem überraschungscoup die flucht nach vorn angetreten“, so Gräßle-Münscher, „die angaben konnten nicht mehr unter verschluss gehalten werden.“ Nach seinen informationen habe die us-regierung die angaben schon im prozess gegen den al-Qaida-mann Zacaria Moussaoui in Alexandria/USA preisgeben müssen. Kai von Appen

Siehe auch bericht seite 2