Waldi an der leine

Alles kaffeesatzrühren hat jetzt ein ende: fußballreporter Waldemar Hartmann ist vom „Sportschau“-dienst in der ARD suspendiert. Nun wittert er demontage. Tatsächlich aber will ihn keiner mehr

VON STEFFEN GRIMBERG

Die ARD hat eine ganz eigene art, probleme zu bewältigen. Wer ist schuld, wenn wie vergangenen freitag zum ligaauftakt die lichter ausgehen und die „Sportschau“ zur spottschau verkommt? – Radio Bremen. Auch wenn uns unqualifiziert außenstehende der eindruck beschleicht, die ARD-sendergemeinschaft mache es sich ziemlich leicht: wälzt die alleinige verantwortung auf die kleinste anstalt im verbund ab und fertig. Die programmdirektion hat entschieden, Radio Bremen ist schuld, und wer motzt, wird sehen, was er davon hat.

Waldemar Hartmann ist seit gestern bremer, zumindest, was die ARD angeht. ARD-programmdirektor Günter Struve hat ihn vom dienst suspendiert, vorübergehend, versteht sich. „In der zusammenarbeit mit Waldemar Hartmann haben sich in letzter zeit so viele spannungen aufgebaut, dass wir einige Zeit für kollegiale Gespräche brauchen“, sagte Struve der münchner Abendzeitung. Er sei sich aber sicher, dass man „nach den notwendigen klärungen“ die zusammenarbeit fortsetzen könne. „Waldi“ Hartmann sagte dazu nichts, und das in Bild: über den inhalt der unterredung „wurde stillschweigen vereinbart“, äußerte sich Hartmann ungewohnt wortkarg.

Wirklich still sein kann der bekennende weizenbiertrinker („aber nicht drei stück“), der Rudi Völler vor rund einem jahr das interview des jahrzehnts abnötigte, dummerweise aber nicht. Genau das brockte ihm den ganzen ärger schließlich auch ein. Kurz vor dem start der bundesliga hatte „Waldi“ aufs schärfste gegen den anstalts-komment verstoßen und öffentlich gegen die ARD gestänkert. Zwar nimmt das urgestein vom Bayerischen Rundfunk auch auf dem sender gerne den mund eher voll: „England ist so voller euphorie nach dem sieg gegen uns, demnächst glauben die auch noch, sie könnten kochen“, analysierte „Waldi“ anno 2001 kochmesserscharf nach der 1-zu-5-niederlage der deutschen nationalelf. Doch an die adresse der ARD dinge zu sagen wie: „Das ist eine persönliche demontage, die ich nicht nachvollziehen kann“, war dann wohl doch ein bisschen viel.

Denn selbst, wenn man so ziemlich allen spielern der bundesliga ungefragt das „du“ aufdrängen kann: ARD-granden ticken anders. Obowhl Hartmann in der sache ja völlig recht hat: ihn will keiner mehr.

Und so wurde die demission ziemlich fies eingefädelt: es geschah bei der präsentation der neuen „Sportschau“-saison ende juli kurz vor dem ligaauftakt. Vor der reichlich versammelten presse trat ARD-sportkoordinator Hagen Boßdorf auf – und sagte kurzerhand Hartmanns auftritte beim „spiel der woche“ ab: „Wir werden nicht mehr jedes wochenende ein top-spiel auswählen, das wir mit einem eigenen moderator vor ort besetzen“, erzählte Boßdorf eher nebenbei. Hartmann war selbst nicht bei der pressekonferenz zugegen, sprach danach von einem „keulenschlag“ und erkannte: „So fliege ich praktisch aus der ‚Sportschau‘.“

Denn genau dieses „top-spiel“ am samstag moderierte Hartmann als mitreisender reporter aus den jeweiligen stadien der republik. Stellte den spielern mitreißende fragen („Du, Oli …“) und sich selbst immer mitten ins bild. Doch damit sollte nun eben schluss sein. Die redaktion war’s leid, heißt es. Die zuschauerInnen auch, sagen andere. Intern grummelte es noch etwas – schließlich steht hinter dem freien mitarbeiter Hartmann der mächtige Bayerische Rundfunk. Doch die loyalitäten sind anders verteilt: Boßdorf kommt vom jungen Rundfunk Berlin-Brandenburg, federführende anstalt bei der „Sportschau“ ist wiederum der Westdeutsche Rundfunk aus Köln, der seine ganz eigene erfahrung mit schwerstanhänglichen urgesteinen hat, die vom bildschirm vertrieben werden müssen. Immerhin arbeitet Heribert Faßbender mittlerweile überwiegend im innendienst.

Ob Hartmann, der neben jahrzehntelanger ARD-sportberichterstattung immerhin auch kurz mal chefredakteur des längst untergegangenen münchner lokalfernsehsenders TV Weißblau war, jemals wieder ein mikrofon mit ARD-logo in die kamera halten wird, bleibt abzuwarten. Offiziell ist natürlich auch nur von einer „denkpause“ die rede, die man dem moderator verordnet habe. Vielleicht macht „Waldi“ ja auch selbst schluss und sagt noch mal „Also: alles kaffeesatzrühren hat jetzt ein ende.“ Die konkreten folgen kann man schon am samstag in der ARD besichtigen: „Sportschau“ ganz ohne Hartmann. Und auch das freundschaftsspiel Deutschland – Österreich am 18. august bleibt „Waldi“-frei. Und weil wir gute ARD-zuschauer sind und der programmdirektor gesprochen hat, ist ja auch nichts dagegen einzuwenden. Es sei denn, es heißt plötzlich wieder: „Guten abend, allerseits.“