FÜR ENTSCHÄDIGUNGEN DER USA AN LIBYEN GÄBE ES GUTE ARGUMENTE
: Berechtigte forderung, falscher kläger

Ein origineller schachzug: Nur einen tag nach dem abschluss der verhandlungen über die entschädigungszahlungen an die opfer des berliner La-Belle-attentats verlangt die libysche Gaddafi-stiftung auch eine entschädigung für die – ungleich zahlreicheren – libyschen opfer der US-vergeltungsschläge auf Tripolis und Bengasi 1986. Mit der forderung brandmarkt Libyen die US-angriffe ebenfalls als staatsterrorismus und stellt sie mit dem berliner anschlag auf eine stufe.

Natürlich werden die USA keinen Cent locker machen – denn wenn die supermacht am ende grundsätzlich zivile opfer ihrer militäreinsätze in ähnlicher höhe entschädigen müsste, könnte das teuer werden: Panama, Sudan, Jugoslawien, Afghanistan, Irak … Nicht einmal, als der Internationale Gerichtshof in Den Haag die USA 1986 zu entschädigungszahlungen in zweistelliger milliardenhöhe an Nicaragua verurteilt hatte, hat die damalige US-regierung davon etwas wissen wollen, und jene freiwillig-unwilligen minimalzahlungen, die US-truppen an irakische opfer des jüngsten krieges leisten, sprechen eine klare sprache.

Juristisch ist all das kaum zu fassen – bis heute bleibt die tötung von menschen zumeist straf- und entschädigungslos, wenn sie von militärs im rahmen von kampfhandlungen verübt wird – zumeist, weil potenziellen klägern die juristischen und politischen rahmenbedingungen fehlen. Umso aufregender wäre es, würden sich ein paar US-staranwälte einmal dieses themas annehmen.

Nur: die libysche regierungsnahe stiftung ist sicherlich der falsche kläger. Ein regime, das seit nunmehr 35 jahren seine internen kritiker und oppositionelle einkerkert, foltert, ermordet oder verschwinden lässt, hätte in sachen entschädigung und vergangenheitsaufarbeitung einiges mehr im eigenen land zu leisten. Umgekehrt aber bleibt der schale beigeschmack, dass es eben keine frage der juristischen oder moralischen standards, sondern der macht ist, wer für welche art von verbrechen wie zur rechenschaft gezogen wird. Neu ist das nicht. Aber auf dem weg, international die herrschaft des rechts gegen die willkür zu setzen, tut es mitunter not, sich an die herausforderungen zu erinnern. BERND PICKERT