„Ich war nicht einer von ihnen“

Günter Wallraff weist den Vorwurf, „IM Wagner“ gewesen zu sein, empört von sich.Die neue Einschätzung der Stasiaktenbehörde führt er auf einen internen Streit zurück

taz: Herr Wallraff, die Stasiaktenbehörde behauptet im Gegensatz zu früher, dass nach dem neuesten Kenntnisstand „Herr Wallraf vom MfS als IM geführt worden ist“.

Günter Wallraff: Das sind die alten falschen Vorwürfe. Dass es eine Akte gibt, in der ich als IM Wagner bezeichnet werde, ist bereits seit 1998 bekannt. Und sehen Sie, Akten sind geduldig: Ein so genannter Führungsoffizier führte eine Akte – aber doch nicht mich. Ich bin nicht zu führen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein widerborstiger Mensch bin, der sich von keiner Stelle und erst recht nicht von der Stasi führen ließe.

Die Aufzeichnungen der Stasi legen eine andere Interpretation nahe.

Ich bin froh, dass es die Stasiakten über mich gibt. Denn da steht zum Beispiel auch drin: „Über Wallraff sind keinerlei Personenhinweise zu erlangen“, oder „Wallraff lässt sich nicht vom marxistisch-leninistischen Standpunkt überzeugen“.

Wie erklären Sie dann, dass die Birthler-Behörde mit Verweis auf die so genannten Sira- und Rosenholz-Unterlagen nun behauptet, ihnen seien in den Jahren zwischen 1969 und 1971 konkret sechs Informationseintragungen zuzuordnen?

Dass es diese Eintragungen gibt, ist auch schon seit ein paar Jahren bekannt. Diese Zuordnungen haben mit mir aber absolut nichts zu tun. In den Akten sind zum Beispiel Angaben drin, die nur ein Geheimnisträger und Waffentechniker wissen könnte. Ich war aber bekanntermaßen Kriegsdienstverweigerer. Ich habe den Eindruck, dass es Leute gibt, die bei jedem Linken, der irgendetwas mit der DDR zu tun hatte, gleich konspirative Kontakte hineingeheimnissen. Und in der DDR gab es Beamte, die mit solchen falschen Zuordnungen sich wichtig machen oder ihre Karriere befördern wollten. Es handelt sich hier nicht um einen Polit-Thriller, sondern um eine makabre Groteske.

Wie erklären Sie sich den Sinneswandel der Behörde?

Zuerst einmal, ich bin ein absoluter Befürworter dieser Behörde. Ich habe ihr zu verdanken, dass da 1998 diese neun Seiten aufgetaucht sind – das ist Fleisch. Da kann man sehen, was sich die Stasimitarbeiter ausgedacht haben und wie sie mich eingeschätzt haben. Denen war klar: Ich war nicht einer von ihnen, ich war ihnen höchst suspekt. Frau Birthler, die ich schätze, stand wohl sehr unter Druck. Ihr wurde wiederholt vorgeworfen, verschiedene Maßstäbe bei West- und Ostbürgern anzulegen. Besonders frühere DDR-Bürger wurden sehr schnell und sehr scharf aufgrund der Aktenlage verurteilt. Es gibt in der Behörde aus meiner Sicht zwei Gruppen. Die eine sagt, dass es in der Sache nichts Neues zu sagen gibt. Durchgesetzt hat sich aber offensichtlich eine Gruppe, die glaubt, man wäre bisher mit mir zu milde umgegangen. Ich werfe Frau Birthler persönlich nichts vor, aber es ist natürlich eine traurige Angelegenheit, einen Menschen nur aufgrund einer Aktenlage zu beurteilen.

INTERVIEW: WOLFGANG GAST