„Meine eigene Opposition“

In der Schusslinie der Militärdiktatur hat der chilenische Fotograf Juan Carlos Cáceres seine Bilder gemacht. Zum erstem Mal stellt er sie jetzt in Europa aus. Das taz.mag zeigt eine Auswahl

Interview von BARBARA BOLLWAHN

taz: Sie haben sich Mitte der Achtzigerjahre entschieden, als Fotograf zu arbeiten, als die Repression besonders stark war. Muss man verrückt sein oder ein Idealist, um das zu machen?

Juan Carlos Cáceres: Ich war kein großer Idealist, und am Anfang, bei den ersten Demonstrationen, ging ich mit großer Angst aus dem Haus, die immer dann verschwand, wenn ich anfing, Bilder zu machen. Aber es ist so, dass ich mich immer schon damit beschäftigt habe, was in meinem Land passierte, und ich dachte, ich könnte mit meinen Fotos einen Beitrag leisten. Als ich Religionspädagogik studiert habe, habe ich mit Jugendlichen in einer christlichen Organisation gearbeitet. Auch das beeinflusste meine kritische Haltung gegenüber der Militärdiktatur.

Haben Sie sich als regimekritischer Fotograf automatisch mit den Regimekritikern, die Sie fotografierten, identifiziert, oder hielten Sie Distanz?

Ich war nie Mitglied einer Partei oder Organisation. Ich halte immer Distanz. Ich hatte meine eigene Opposition zum Regime.

Ihre Arbeit ist von der Suche nach Wahrheit bestimmt.

Ja, ich versuche, einen Teil der Realität zu zeigen. Es war immer ein sehr gutes und befriedigendes Gefühl, wenn ich meine Bilder veröffentlicht sah. Das Fernsehen und viele Zeitungen wurden kontrolliert, und die Mehrheit der Menschen war nicht wirklich informiert. Es gab Leute, die nicht glaubten, was ich ihnen erzählte. Dann hatte ich meine Fotos als Zeugen. Das war genau dieser Beitrag, den ich leisten wollte: einen Teil der Realität zeigen.

Sie haben nicht nur Regimekritiker fotografiert, sondern auch Pinochet. Wie war das?

Das waren widersprüchliche Gefühle. Einerseits ist da eine Person, die man nicht mag, aber es gefällt einem, sie zu fotografieren. Es war auch wie das Erreichen eines Ziels. Es ist ja nicht einfach, an einen Diktator heranzukommen.

Was bedeutet Ihnen die Teilnahme bei „Visa pour l’image“, dem Festival für Journalisten, in Perpignan?

Das ist, wie die Früchte meiner Arbeit zu ernten. Eine ganz unerwartete Anerkennung. In der ganzen Zeit, in der ich zum Teil heimlich gearbeitet habe, habe ich wenig Geld verdient und das wenige gleich wieder in Material gesteckt. Deshalb ist Perpignan wie ein Preis für mich.

Dort wird Ihr fotografisches Werk gewürdigt, in Chile sind Sie arbeitslos. Eine Folge Ihrer kritischen Haltung?

Teilweise ja. Nach dem Übergang von der Diktatur zur Demokratie war es sehr schwer für einen Fotografen, der immer gegen Pinochet war, Arbeit zu finden. Und jetzt kommt die Krise in den Medien hinzu. Es gibt einfach zu wenig Arbeit für Fotografen.

Hat sich Ihnen ein Erlebnis in Ihrer Laufbahn besonders eingeprägt?

Ja, an eines erinnere ich mich noch sehr gut. Als ich die Geschichte von Carmen Gloria Quintana hörte, die, zusammen mit einem Fotografen, lebend von einer Polizeipatrouille angezündet wurde. Der Fotograf starb, sie überlebte. Nach einiger Zeit in Kanada kehrte sie nach Chile zurück an die Universität und erzählte ihre Geschichte. Da konnte ich nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Wenn ich die Fotos ansehe, die ich von ihrem Gesicht gemacht habe, habe ich noch heute die gleichen Emotionen wie damals.

Welche Themen fotografieren Sie seit dem Ende der Diktatur?

Es sind soziale Themen wie vorher, Konflikte zwischen denen, die an der Macht sind, und denen, die nichts haben. Themen, derentwegen ich Fotograf geworden bin.

BARBARA BOLLWAHN, 39, ist taz-Reporterin