Blick ins Schwarze Loch

Die Stadtstaaten sind hoffnungslos verschuldet. Berlin setzt auf Schuldenübernahme durch den Bund, Bremen auf Investitionen, Hamburg versilbert sein Vermögen

Bremen taz ■ Die Stadtstaaten sind Spitze beim Schuldenmachen: Bremen liegt mit 14.505 Euro pro Kopf (Ende 2002) vorn, Berlin kommt gleich dahinter mit 13.172 Euro pro Einwohner. Und Hamburg hat mit 10.535 Euro noch doppelt so viele Pro-Kopf-Schulden wie der Bundesdurchschnitt und versucht nach dem Willen von Hamburgs CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner, daher möglichst viel öffentliches Vermögen zu verkaufen, um Schulen zu tilgen.

Bisher gibt es keine gemeinsame Initiative der Stadtstaaten zur Verbesserung ihres Finanzstatus, im Gegenteil: Die Verfassungsklage, mit der das Land Berlin seine Sanierungshilfe erzwingen will, wird in Bremen mit gemischten Gefühlen betrachtet. Das wurde gestern auf einer Tagung deutlich, auf der Wissenschaftler und Politiker eine Bilanz des Sanierungsprozesses im Stadtstaat zogen und ihre Ratlosigkeit über die Perspektiven ausbreiteten.

Die nackten Fakten nach zehn Jahren, in denen bald 8,5 Milliarden Euro „Sanierungshilfe“ an die Weser flossen, sind ernüchternd: Die Einnahmen sind seit 1992 nicht gestiegen, die Ausgaben sehr wohl, wenn auch nur gering. Das jährliche Defizit ist damit größer als bei Beginn der Sanierungshilfe, der Schuldenberg ist von acht Milliarden Euro damals auf über zehn Milliarden am Ende der Sanierung im Jahre 2004 anwachsen. Wenn es die 8,5 Milliarden Euro Sanierungshilfen nicht gegeben hätte, hätte Bremen inzwischen an die 20 Milliarden Schulden.

An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die damaligen Planungen von großen Wachstumsraten ausgingen und Bremen auch die Vulkan-Pleite zu bewältigen hatte. Trotz Spar-Anstrengungen wird das kleinste Bundesland am Ende der Sanierungsphase von einem verfassungskonformen Haushalt weiter entfernt sein als am Anfang.

Dabei setzte die Sanierungsstrategie – anders als die des Saarlandes – auf massive Investitionen. Allein 2,7 Milliarden Euro der Hilfen sind als zusätzliches Investitionsprogramm verplant und ausgegeben worden – ohne dass dadurch die Staatseinnahmen verbessert worden wären.

Man habe immer gewusst, dass 90 Prozent der möglichen steuerlichen Effekte der Investitionsstrategie nicht in der Stadtstaatskasse landen, sondern nur die „Eigenfinanzierung“ erhöhen, also die Abhängigkeit vom Länderfinanzausgleich mindern, trug der langjährige Finanzstaatsrat Günter Dannemann vor. De facto seien die Summen, die Bremen aus dem Länderfinanzausgleich bekommt, allerdings gestiegen.

Der Bundesfinanzminister kritisiert daher den Bremer Versuch, über Investitionen die Finanzlage zu verbessern, so Dannemann. Auch die Verfassungsklage des Landes Berlin argumentiert, dass der Bremer Weg, über Sonder-Investitionen die Einnahmeseite zu verbessern, aussichtslos bleiben müsse. Jeder Euro Sanierungshilfe soll daher direkt zum Abbau des Schuldenberges verwendet werden.

So fährt die Klage der Hauptstadt den Argumenten der Doppelstadt an der Weser in die Parade. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung schon aus prozesstaktischen Gründen keiner weiteren Sanierungshilfe zustimmen kann, solange diese Klage läuft – und das wird zwei Jahre mindestens dauern.

Angesichts dieser Gemengelage vor dem Bundesverfassungsgericht ist sich Dannemann nicht mehr sicher, ob Bremen klug beraten wäre, dem Verfahren vor dem Verfassungsgericht beizutreten. Aus der Zinsfalle könnten die hoch verschuldeten Stadtstaaten nur herauskommen, wenn es einen Schuldenschnitt gäbe und die Belastungen aus der Vergangenheit auf alle Länder verteilt würden. Aber warum sollte Bayern zahlen für die Altschulden der anderen?

Das Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, so prognostizierte der Experte, wird die latente Diskussion um die Neugliederung neu aufflammen lassen. KLAUS WOLSCHNER