Die Lizenz zum Surfen

Jugendliche lernen besser von Jugendlichen. Diese PädagogInnen-Weisheit brachte die Bremer Mädcheneinrichtungen auf die Idee der „Cyber Girls“. Mädchen bekommen eine Ausbildung als „Girlscout“, die die Internet-Cafés der Einrichtungen betreuen

„Nein, du musst das andere nehmen“, schreit die 10-jährige Anna. Zusammen mit ihrer Freundin Melissa starrt sie auf bunte Bilder, die vor ihnen über den Computerbildschirm hüpfen. Die Mädchen versuchen, ein Puzzle-Spiel auf der Internetseite des Kindersenders Ki.Ka. zusammenzusetzen. „Das auf dem Bild ist Mildred, die chaotische Hexe. Bei der geht immer etwas kaputt“, erklärt die 12-jährige Melissa.

Die Puzzle-Spezialistinnen sitzen im Internet-Café des Mädchenkulturhauses in Bremen: Ein heller, buntgestrichener Raum mit vier Computern. Die Monitore sind mit farbigem Plüsch-Stoff beklebt. Um im Internet surfen zu dürfen, brauchen die Mädchen seit diesem Sommer den „Internet-Führerschein“. Die Lizenz zum Surfen ist im Rahmen des Projekts „Cyber Girls“ entstanden, einer Zusammenarbeit der fünf Bremer Mädcheneinrichtungen: dem Mädchenhaus in der Rembertistraße, Lilas Pause in Bremen Nord, dem Mädchentreff Huchting, dem Mädchenkulturhaus und den Neustädter Gewitterziegen. „Häufig ist das Internet nur ein Konsumangebot“, sagt Ruth König vom Mädchenhaus. „Mit dem Führerschein wollen wir dem Angebot auch einen pädagogischen Inhalt geben.“ In verschiedenen Kursen lernen Mädchen den Umgang mit PC und Internet.

Bei der Entwicklung des Führerscheins kam den Frauen eine weitere Idee: Die Ausbildung so genannter Girlscouts, die die anderen Netz-Surferinnen in den Cyber-Stuben betreuen. „Unter PädagogInnen ist schon lange klar: Jugendliche lernen besser von Jugendlichen“, erklärt König.

Eine Girlscout-Anwärterin ist Ramiza. Sie ist 15, und Internet ist ihre „Nummer eins“, ihr ein und alles. „Heute geht doch nichts mehr ohne“, sagt sie. Zum ersten Mal war sie vor zwei Jahren in einem Mädchenhaus in Kassel im Netz. „Mama, ich brauch einen Computer“, war die Ansage als sie wieder zuhause war. Den hat sie jetzt seit einem Jahr – allerdings ohne Internetzugang. Deshalb surft sie im Mädchenkulturhaus. Ramiza findet klasse, dass Mädchen durch die Ausbildung das Gefühl bekommen, etwas zu können.

In 20 Stunden lernen die Girlscouts alles rund ums Internet, inklusive der Aufklärung über die nicht so erfreulichen Seiten im Netz. Pädagogin König: „Was mache ich, wenn ich auf eine Pornoseite stoße? Wie reagiere ich auf eine blöde Anmache beim chatten? Wie gehe ich mit fiesen E-mails um?“ sind Fragen, die in der Ausbildung auch beantwortet würden. Ramiza hat ihre eigenen Tricks, damit umzugehen. „Ich denke mir immer etwas aus. Man darf nie seinen richtigen Namen angeben“, rät sie. Später möchte die Schülerin allerdings nicht ständig vor dem Bildschirm hocken: „So immer im Büro rumhängen ist nichts für mich“. Am liebsten würde Ramiza zur Kriminalpolizei oder zum Personenschutz.

Die sechs Euro je Stunde, die die Mädchen als Girlscouts verdienen sollen, kommen für Ramiza erst an zweiter Stelle: „Jugendliche brauchen doch immer ein paar Euros, aber ich hätte auch ohne Geld mitgemacht“. Finaziert wird das Projekt „Cyber Girls“ von der Bremischen Kinder- und Jugendstiftung. Die Mädcheneinrichtungen werden ab Oktober zunächst acht Mädchen zu Girlscouts ausbilden, die dann in allen Einrichtungen arbeiten.

Stephanie Silber

Bewerbungsschluss für Girlscouts: 30. September. Infos bei allen Mädcheneinrichtungen und Ruth König, ☎ 33 65 444 oder maedchenhaus@bremen.w4w.net.