Eigenlob ist schwer

Arbeitszeugnisse sollten wohlwollend formuliert sein. Weil sich die Chefs häufig keine Mühe geben, schreiben viele Arbeitnehmer ihre Zeugnisse selbst. Ganz wichtig: keine falsche Bescheidenheit!

von MARTINA JANNING

Am Ende wollen es alle: das Arbeitszeugnis. Doch mancher sollte sich auch schon vorher eins ausstellen zu lassen, etwa wenn der Vorgesetzte wechselt, die Abteilung fusioniert oder das Unternehmen verkauft wird. Wie auch immer, in den meisten Fällen herrscht Zeitnot. Viele Chefs sind daher froh, wenn der Mitarbeiter sein Zeugnis selbst formuliert. Das ist völlig legal und unverfänglich. Schließlich prüft der Arbeitgeber das Zeugnis, bevor er es unterschreibt. Arbeitnehmer sollten daher ruhig von sich aus ihre Dienste anbieten. Der Qualität des Zeugnisses kann es nur gut tun.

„Ein häufiges Problem bei Zeugnissen ist, dass sich Arbeitgeber keine Mühe geben“, sagt Verena Janßen, die ein Unternehmen für Zeugnisberatung in Hamburg betreibt (www.zeugnisberatung.de). Ein Zeugnis mache dem Chef Arbeit, bringe ihm aber keinen Nutzen. Entsprechend gering sei seine Motivation. „Das kann dazu führen, dass ein Zeugnis mittelmäßig ausfällt, obwohl es eigentlich ein gutes werden sollte“, so Janßen.

Ein aussagekräftiges Arbeitszeugnis zu formulieren ist nicht einfach – auch nicht für den Mitarbeiter selbst. Sich zu loben fällt vielen schwer. Da gilt es zunächst, falsche Bescheidenheit abzulegen. Das Zeugnis ist immerhin eine Visitenkarte, die über künftige Jobs entscheidet. Aus diesem Grund heißt es auch: Vorsicht vor formalen Fallen und versteckten Wertungen!

„Zuerst einmal ist es wichtig, dass das Zeugnis vollständig ist“, erklärt Beraterin Janßen. „Fehlen Dinge, kann das auf eine negative Beurteilung deuten.“ Ein Zeugnis muss alle Leistungsbereiche abdecken. Der klassische Aufbau sieht so aus:

– Einleitung (Name, Geburtstag, Geburtsort, Dauer der Beschäftigung)

– Beruflicher Werdegang im Unternehmen und zuletzt ausgeübte Tätigkeit

– Leistungsteil (Bereitschaft, Befähigung, Fachwissen/Weiterbildung, Arbeitsweise, Arbeitserfolg)

– Verhaltensteil (gegenüber Vorgesetzten und Kollegen, intern und nach außen)

– Schlussformel (Grund des Ausscheidens, Dank, Bedauern und Zukunftswünsche).

Ein Arbeitszeugnis sollte etwa zwei Seiten lang sein, bei Leuten mit langjähriger Berufserfahrung darf es ruhig auch mal ein bisschen mehr sein. Die Beschreibung der Tätigkeiten sollte dabei laut Janßen in der Regel ein gutes Drittel des Zeugnisses ausmachen. Viele Personalchefs bevorzugen hier eine übersichtliche Aufzählung. Die Beurteilung der Leistung hingegen sollte als Fließtext geschrieben sein. Auch dieser Teil umfasst etwa ein Drittel des Zeugnisses. „Ganz, ganz wichtig ist die Schlussformel“, sagt Janßen. „Sie ist freiwillig für den Arbeitgeber und kann viele Abstufungen umfassen.“

Seit 1960 gilt per Gerichtsbeschluss: Ein Arbeitszeugnis muss wahr und wohlwollend sein. Doch für Arbeitgeber gibt es Möglichkeiten, versteckt Kritik zu üben. Dazu gehört zum Beispiel die „Leerstellentechnik“, bei der er Wichtiges weglässt, die doppelte Verneinung („nicht unerhebliche Erfolge“) oder die „Passivierungstechnik“, bei der er Tätigkeiten im Passiv beschreibt und so mangelnde Eigeninitiative andeutet.

„Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ – dieser Code für die Note 1 hat sich eingebürgert, obschon er grammatikalisch falsch ist. Nicht nur deswegen sollte möglichst auf ihn verzichtet werden. „Ist eine Beurteilung insgesamt individuell formuliert, nehme ich sie wohlwollender auf“, sagt Reinhard Meer, Personalleiter beim Springer-Verlag in Heidelberg. Damit steht er nicht allein. Mancher Personalchef hält den gängigen Notencode für veraltert. Heutzutage zählt Einmaligkeit. Das bedeutet mühevolle Zeiten für Zeugnisschreiber. Doch es gibt Kniffe, zum Beispiel besondere Leistungen durch entsprechende Adjektive hervorzuheben. Fällt das Zeugnis trotz aller Bemühungen nicht so gut aus wie gewünscht, sollte der Arbeitnehmer seinen Chef darauf ansprechen. Denn: Die meisten sind verhandlungsbereit.

Literatur für Arbeitnehmer: Thorsten Knobbe, Mario Leis: „Arbeitszeugnisse“. Verlag Gräfe und Unzer, München 2002, 6,50 €. Literatur für Personalabteilungen: Thorsten Knobbe, Mario Leis, Karten Unmuß: „Arbeitszeugnisse erstellen und bewerten“. Haufe-Verlag, Freiburg 2003, 78 €