Super Visionen für Lehrer

Sie sind gestresst, ausgebrannt und machen immer früher schlapp. Wenn Pauker ihren Job meistern wollen, müssen sieihre Berufsrolle überdenken: vom Einzelkämpfer zum Teamkollegen werden. Supervisoren beraten und unterstützen dabei

von MARTINA JANNING

Lehrer schaffen Arbeitsplätze. Allerdings ungewollt. Manche Klinik hat die Pädagogen als neue Klientel entdeckt. Dort versuchen Therapeuten ausgebrannten Lehrern ein neues Flämmchen einzuhauchen und vor allem: ihnen beizubringen, es zu hüten, damit es nicht wieder erlischt. Die Nachfrage ist groß. Die Hardwaldklinik II in Bad Zwesten beispielsweise hat mittlerweile eine spezielle Gruppe für Lehrer eingerichtet. Dort geht es dann sechs Wochen lang um den Arbeitsplatz Schule, seine Belastungen und deren Bewältigung. Das Ziel: den Burn-out kurieren und eine Frühpensionierung verhindern.

Denn immer mehr Lehrer machen frühzeitig schlapp. Gestresst von zappelnden und lärmenden Schülern, uninteressierten oder überaktiven Eltern, mobbenden Kollegen oder überforderten Schulleitern scheiden 63 Prozent der Pädagogen wegen Krankheit vorzeitig aus dem Schuldienst aus, im Schnitt erst 57 Jahre alt. So das Ergebnis einer neuen Studie des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität Kassel. Sechs Jahre lang hatten Heinrich Dauber und Witlof Vollstädt mehr als 2.800 Lehrer im Regierungsbezirk Kassel befragt. Dabei erklärten über 60 Prozent der Lehrer, sie litten unter elf bis 20 Belastungsfaktoren. An der Spitze der Gründe für die Dienstunfähigkeit mit 49 Prozent: psychische und psychosomatische Erkrankungen. Höchste Zeit zum Handeln also.

Die Ausbildung müsse sich mehr an der Praxis orientieren, die Motivation der Anwärter kritisch überprüft und die Klassen kleiner werden, fordern die Wissenschaftler. Das allein reicht ihnen aber noch lange nicht. Unterstützung heißt das Zauberwort. Verstärkte Teamarbeit im Kollegium und Supervision könne die Arbeitszufriedenheit von Lehrern erhöhen, glauben Dauber und Vollstädt, wie andere Experten auch. Das Problem: Was in vielen Jobs längst selbstverständlich ist, stößt in der Schule auf Skepsis.

„Es ist häufig mit Schwierigkeiten behaftet, Lehrer zu beraten“, sagt Manfred Leppers von der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) e.V. „Als ‚Einzelkämpfer‘ ziehen sie sich gerne etwas zurück.“ Viele hätten Vorurteile gegenüber Supervisionen, verwechselten sie mit einer Therapie. „In der Supervision geht es nicht in erster Linie um die Person als solche“, erklärt Leppers, „sondern um die Person in ihrer Berufsrolle.“ Supervision ist eine Methode, das eigene Handeln zu analysieren, indem geschaut wird, welche Haltung jemand warum hat. So können Übertragungen („Ich kritisiere an dir, was ich früher in anderen Situationen erlebt habe“) oder Projektionen („Mich stört diese Verhaltensweise, weil ich sie an mir selbst nicht leiden kann“) offengelegt werden.

Wie fühlt sich der Lehrer, wenn er vor der Klasse steht und die Schüler ihn ignorieren? Wie kann er sich Gehör verschaffen? Wie lernt er Nein sagen, wenn ihn Eltern ständig zu Hause anrufen? Wie begegnet die Lehrerin dem Kollegen, der ihr Arbeitsunterlagen verweigert? Wie lassen sich Änderungen durchsetzen, obwohl die Schulleiterin allein bestimmen will? All das können Themen für eine Supervisionssitzung sein.

„Supervision ist ein Beratungsprozess“, erklärt Leppers. „Ein Supervisor ist dazu da, einen Prozess aus unterschiedlichen Blickwinkeln anzuregen und zu fördern.“ Im Unterschied zum Coaching findet eine Supervision in der Regel in der Gruppe statt. Gemeinsam mit dem Supervisor reflektiert das Team den Lehreralltag, bewertet Situationen, sucht nach Lösungen. Um anzuleiten und zu steuern, greift der Supervisor in seine methodische Handwerkskiste. Je nach Ausbildung ergänzen manche das analytisch-gedankliche Durchdringen des Problems mit gruppendynamischen oder integrativen Ansätzen. Sie lassen eine Situation zum Beispiel nachspielen, um zu einem besseren Verständnis zu kommen. Andere schauen in systemischer Manier auf die Wechselbeziehungen von Person, Rolle, Funktion, Organisations- und Kundeninteressen.

Die meisten Lehrer, die heute an einer Supervision teilnehmen, finden sich privat zusammen. Supervision als Bestandteil des Berufs – in der Arbeitszeit und bezahlt – kommt nur gelegentlich in speziellen Schulprogrammen vor oder in der Fortbildung von Schulleitern. Sie zur Regel für jeden Lehrer und jede Lehrerin zu machen, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) seit langem.

„Supervision ist ein gutes Mittel, um professionelles Verhalten aufzubauen“, sagt Marianne Demmer, Schulexpertin vom geschäftsführenden Bundesvorstand der GEW. Aber eben auch ein teures Mittel. „Vorbeugen ist immer billiger als Heilen“, urteilt Demmer mit Blick auf die Ausfallkosten wegen Burn-out und frühzeitiger Verrentung. „Es ist absurd: Lehrer sollen Schülern das Arbeiten im Team beibringen. Sie selbst aber werden zu Einzelkämpfern gemacht“, sagt Käthe Kruse, Supervisorin am Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM). Dabei wüchsen die Anforderungen an Lehrer. Im Zuge der angestrebten Verselbstständigung von Schule, die die Einzelschule stärken und Konkurrenz fördern soll, seien zunehmend auch Managementfähigkeiten gefragt. Darüber hinaus: „So ein Wandel ist nur möglich, wenn die Beteiligten einbezogen werden“, resümiert Kruse. Das zeigten die Erfahrungen bei Verwaltungsreformen. Das LISUM bietet Supervisionen für Schulleiter an. Darüber hinaus will es künftig auch Supervisoren an Schulen vermitteln.

Die Broschüre „Supervision und Schule“ kann bei der Deutschen Gesellschaft für Supervision e.V. heruntergeladen werden: www.dgsv.de. Dort gibt es auch eine Supervisoren-Suche.