Erfolg für „July People Power“

Hongkongs Regierung zieht ihr umstrittenes Sicherheitsgesetz zurück. Doch schon 2005 wird es wohl in abgemilderter Form wieder vorgelegt werden. Die Durchsetzung dürfte dann auch von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Exkolonie abhängen

aus Peking GEORG BLUME

Nun ist die Kapitulation komplett. Etwas mehr als zwei Monate nach einer der größten Demonstrationen der Hongkonger Geschichte, in der am 1. Juli über eine halbe Million Menschen gegen die Verabschiedung eines neuen Sicherheitsgesetzes protestierten, zog Hongkongs Regierungschef Tung Chee-hwa gestern den Gesetzentwurf ersatzlos zurück. „Ich habe eine Menge Meinungen angehört. Unsere Bürger interessiert derzeit zuallerst die Wirtschaft“, erklärte Tung gestern einen der erstaunlichsten politischen Rückzüge, der je auf Geheiß einer kommunistischen Führung in Peking unternommen wurde.

Tung strich nicht nur den gesamten Gesetzentwurf, er versprach auch, ein neuen Entwurf erst nach „gründlichen Konsultationen und mit weitreichender Unterstützung der Öffentlichkeit“ vorzulegen. Das alles versetzte gestern nicht nur die Hongkonger Medien in helle Aufregung über den Sieg von „July People Power“, wie ein geplanter Dokumentationsband der Organisatoren der 1.-Juli-Demonstration betitelt sein soll. Es wurde auch von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua gemeldet, die im Juli noch geschwiegen hatte. Ein klares Zeichen also, dass Peking die Herausforderung „People Power“ angenommen hat und ihr derzeit nicht mit dem Knüppel begegnen will.

Dennoch wird die Sicherheitsdiskussion wiederkehren. Nach der von Chinesen und Briten vor der Übergabe Hongkongs im Jahr 1997 ausgehandelten Verfassung ist die Hafenstadt verpflichtet, sich bis 2007 ein neues Gesetz gegen Staatsverrat und Untergrabung der Staatsautorität zu geben. Nun sieht der Zeitplan der Regierung vor, die im Herbst 2004 anstehenden Wahlen zum Legislativrat, dem zum Teil demokratisch bestimmten Stadtparlament, abzuwarten.

Viel hängt davon ab, ob der von Peking bisher an der langen Leine geführte Stadtchef Tung die beiden drängensten Probleme Hongkongs in den Griff bekommt. Zum einem krankt die Stadt an einer Rekordarbeitslosigkeit von knapp 9 Prozent – für Hongkonger Verhältnisse ist das unvorstellbar hoch. Zum anderen regiert die Angst vor einem Neuausbruch der Sars-Epidemie – die Krankheit hatte im Frühjahr in der Stadt 299 Todesopfer gefordert. Sinkt die Arbeitslosigkeit und bleibt Hongkong sarsfrei, hat die Regierung im Jahr 2005 gute Chancen, ein abgemildertes Sicherheitsgesetz durchzubringen. Andernfalls aber droht ihr Sturz.

Asiens reichster Mann, der Hongkonger Schifffahrts- und Telekom-Tycoon Li Kashing, hat Peking bereits vor Eingriffen gewarnt – indem er kürzlich seinen „Stolz“ auf die Demonstranten erklärte. Sie seien „in guter Ordnung und ohne irgendwelche Probleme zu verursachen“ marschiert. Dabei betonte Li, dass er gern in Demokratien investiere: „Ich mag ihre Ordnung und ihre Gesetze.“ So opportunistisch vielen Anhängern der Demokratieszene in Hongkong die Unterstützung Lis Wochen nach der Demonstration auch erschien, in Peking wiegen seine Worte schwer wie Gold. Die KP wird also vorsichtig bleiben.