Das Ende von MAI war der Anfang von Attac

Schon einmal scheiterte ein Investitionsabkommen. Es war die Geburtsstunde der globalisierungskritischen Bewegung

PARIS taz ■ Am Anfang steht einer jener Erfolge, von denen die meisten JournalistInnen ein Berufsleben lang vergeblich träumen: ein Artikel, der die Welt verändert. Zumindest ein bisschen. Im Dezember 1997 beschrieb Ignacio Ramonet in der Monatszeitung Le Monde diplomatique unter dem Titel: „Die Märkte entschärfen“ den „Weltstaat“, den die vier großen Finanzorganisationen Weltbank, IWF, OECD und WTO fern jeder demokratischen Kontrolle gebildet haben. Der Journalist rief in seinem Leitartikel auf, eine „weltweite regierungsunabhängige Organisation“ zu gründen. Sie solle Druck machen, um die internationalen Kapitalbewegungen zu besteuern. Die Redaktion wurde von Antworten überschwemmt. Sechs Monate später konstitutierte sich in Frankreich die erste Gruppe zur Einführung der „Tobin-Steuern“.

Attac-France zählt heute 30.000 Mitglieder und ist die von PolitikerInnen, WissenschaftlerInnnen und Medien meistumworbene Organisation Frankreichs. In vielen anderen Ländern sind ebenfalls Attac-Gruppen entstanden. Gemeinsam mit zahlreichen anderen linken und gewerkschaftlichen Organisationen stellen sie jenes neue gesellschaftliche Phänomen dar, das von außen den Namen „Antiglobalisierungsbewegung“ erhalten hat. Wenn sie zu Demonstrationen aufrufen, kommen in der Regel Hunderttausende. Seit 1998 werden internationale Gipfel regelmäßig von Demonstrationen und Gegengipfeln begleitet.

Im Frankreich des auslaufenden Jahres 1997 war in Paris eine neue rot-rosa-grüne Regierung im Amt. Sie teilte sich in den fünf folgenden Jahren die Macht mit einem rechten Staatspräsidenten, der seinerseits stets den Hegemonismus der USA kritisiert hat. Die internationalen Finanzorganisationen bereiteten ein „Multilaterales Abkommen über Investitionen“ (MAI) vor, das die Kontrolle der Regierungen und Staaten über die Privatinvestoren radikal einschränken sollte. Dagegen liefen in Paris FilmemacherInnen und andere Kulturschaffende Sturm. Das MAI bedrohe die kulturelle Ausnahme, und die staatlich geförderte Arbeit in „Minderheitensprachen“ wie der französischen und allen anderen europäischen Sprachen außer dem Englischen. Schon bald gesellten sich andere Berufsgruppen sowie Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften zu ihnen. Ihr gemeinsamer Slogan: „Die Welt ist keine Ware“. Ihr Protest hatte Erfolg: Das MAI scheiterte.

Jetzt, wenige Tage vor dem WTO-Treffen in Cancún, hat die französische Regierung, längst fest in rechten Händen, die SprecherInnen mehrerer globalisierungskritischer Organisationen zum Gespräch empfangen. Staatspräsident Chirac hat am 29. August in seiner Ansprache an die französischen Botschafter gezeigt, dass er seinen Spagat zwischen Globalisierungskritik und Liberalisierung des Welthandels beizubehalten gedenkt: Er kündigte die Gründung eines französischen „Globalisierungsobservatoriums“ an. Zugleich sagte er: „Eine internationale Besteuerung zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung ist unvermeidlich.“ DOROTHEA HAHN