Bleiben die Männer?

Wegen der Machtverhältnisse in der Bundesversammlung könnte die Union nun ihre Traumfrau ins Rennen schicken. Doch das verbietet sie sich selbst. Angela Merkel will noch Kanzlerin werden

Berlin taz ■ Merkwürdig, dass ein Name gar nicht genannt wird: Dagmar Schipanski. Sie war von den Unionsparteien bei der letzten Wahl des Staatsoberhauptes als ideale Kandidatin benannt worden. Eine Frau, ein neues Gesicht, dennoch hoch qualifiziert und außerdem aus dem Osten. Müssten CDU und CSU jetzt nicht in lauten Jubel ausbrechen angesichts des historischen Glücks, das ihnen die Chance beschert hat, ihre Traumfrau in das höchste Staatsamt wählen zu lassen?

Sie jubeln nicht. Stattdessen betonen SPD-Politiker wie Olaf Scholz und die grüne Ministerin Renate Künast, es sei wirklich an der Zeit, eine Frau zur Bundespräsidentin zu machen. Sie tun sich leicht, denn zum einen verfügt das rot-grüne Lager derzeit eben nicht über die Mehrheit der Stimmen, kann sich also folgenlos progressiv geben. Zum anderen haben die Regierungsfraktionen eine Kandidatin ins Gespräch gebracht, die sogar dann eine Trumpfkarte sein könnte, wenn sie nicht als bloße Zählkandidatin einer chancenlosen Minderheit ins Rennen geschickt würde: Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.

Aber vielleicht ist sie ja gar nicht chancenlos. Hat nicht der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle gerade erst betont, das Parteibuch solle bei der Wahl des Staatsoberhauptes nur an untergeordneter Stelle stehen? Spricht also nicht alles dafür, dass die Liberalen – wie von ihnen selbst angekündigt – „sehr verantwortungsvoll“ mit ihrer „Schlüsselstellung“ umgehen werden und allein nach Qualifikation und Bürgerakzeptanz entscheiden werden?

Nein, dafür spricht gar nichts. Seit der letzten Woche ist die vermeintliche Schlüsselstellung der FDP zu Makulatur geworden. Gewiss: Sie kann über die Person des Staatsoberhauptes entscheiden. Über mehr jedoch auch nicht, da sich Gerhard Schröder für die nächste Bundestagswahl bereits auf die Grünen als Koalitionspartner festgelegt hat. Wenn die Liberalen nun gegen den Wunschkandidaten von CDU und CSU stimmen, dann verärgern sie die einzig möglichen Bündnisgenossen für künftige Regierungsambitionen – ohne dafür irgendetwas einhandeln zu können.

Die Union entscheidet also über das nächste Staatsoberhaupt. Wen hat sie im Angebot – und wen nicht? Frauen scheiden aus. Schon allein deshalb, weil die Konservativen fest davon überzeugt zu sein scheinen, dass die Deutschen es nicht ertragen könnten, wenn eine Regierungschefin und eine Bundespräsidentin gleichzeitig an der Macht sind. Nun ertragen die Bundesbürger zwar eine männliche Dominanz seit Jahrzehnten klaglos, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass sie eine weibliche Herrschaft nicht auszuhalten vermöchten – allein gegen Gefühle lässt sich schwer argumentieren. Das gilt umso mehr, als die derzeit einzig aussichtsreiche Frau des Unionslagers – nämlich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel – viel lieber Kanzlerin wäre als Präsidentin. Da die Union den Machtkampf um die nächste Spitzenkandidatur nicht vorziehen will, kann sie also keine Frau nominieren. Bleiben die Männer.

Welche Männer? Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber träumt nach wie vor vom Kanzleramt, kommt also nicht in Frage. Der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel lässt sich von seinem Nachfolger Dieter Althaus ins Gespräch bringen. Das dürfte jedoch ziemlich folgenlos bleiben, da kaum jemand Vogel für den Wunschkandidaten hält.

Weiter in der Diskussion: der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer, der CDU-Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble und der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Alle drei sind ehrenwerte Kandidaten. Wenig spricht gegen sie. Aber was spricht für sie? Die Bevölkerung wird es zumindest in einem Fall schon bald erfahren – sobald nämlich die Union ihre Diskussion abgeschlossen hat. Weiterhin rätseln dürfte sie allerdings über eine andere Frage: warum die Forderung nach Direktwahl des Staatsoberhaupts stets mit dem Argument abgeschmettert wird, man solle das höchste Staatsamt nicht in den Parteienstreit hineinziehen. BETTINA GAUS