„Kauft keine Früchte der Apartheid“

betr.: „Linker auf israelfeindlichen Abwegen“, „Die alten Affekte“, taz vom 26. und 27. 2. 09

Ich kann gut verstehen, dass Hermann Dierkes sich zu Unrecht als Antisemit angegriffen fühlt. Er hat sich bei seinem Boykottaufruf explizit auf eine Erklärung des Weltsozialforums in Belem bezogen, und dieser Boykottaufruf steht in der Tradition der Kampagnen zur Beendigung von Willkür und Diskriminierung, wie der von der evangelischen Kirche in den 70er und 80er Jahren unterstützte Boykott „Kauft keine Früchte der Apartheid“. Die damalige EZE – heute der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) – hat die damalige Kampagne unterstützt und heute distanziert sich der EED von der Erklärung. Ich finde das feige und es ist infam, den Boykottaufruf mit den Nazi-Boykotten jüdischer Geschäfte gleichzusetzen, wie das nicht nur der Zentralrat der Juden, sondern auch taz-Redakteur Reinecke tut.

Bei aller gebotenen Sensibilität sollten wir nicht jedes Mal vor dem Vorwurf des Antisemitismus einknicken, wenn absolut legitim Kritik an der Politik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern geübt wird. Es gibt eine ganze Reihe von Israelis, die darin viel mutiger als wir sind. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Ilan Pappe (einem der „neuen Historiker“) anlässlich einer Konferenz im italienischen Cortona, der uns ausdrücklich aufgefordert hat, mehr Mut gegenüber der israelischen Regierung und all denen zu üben, die glauben, sich auf Grund des Holocaust als ihre bedingungslosen Unterstützer verstehen zu müssen. Gerade deshalb – immerhin ist die Vertreibung der Palästinenser eine der furchtbaren Folgen dieser Politik – sollten wir mit friedlichen Mitteln wie Waren- und Dienstleistungsboykott versuchen, Druck auf die israelische Regierung auszuüben. Ich bin sicher, nicht nur Ilan Pappe, auch eine ganze Reihe anderer Israelis würden Hermann Dierkes Boykottaufruf als legitim verstehen und unterstützen. EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln