Karlsruhe rettet Kremendahl über die Zeit

Der Bundesgerichtshof verschiebt Revision im Korruptionsfall Kremendahl. Ein Urteil über den Wuppertaler Stadtchef wird erst Ende Oktober gefällt – einen Monat nach der Kommunalwahl. Die SPD hält an ihrem OB-Kandidaten fest

WUPPERTAL taz ■ Sozialdemokrat Hans Kremendahl hat Zeit gewonnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe will erst am 28. Oktober 2004 über die Zukunft des Wuppertaler Oberbürgermeisters entscheiden – also rund einen Monat nach den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Die Wuppertaler SPD hofft nun, ohne weitere Negativschlagzeilen in den Wahlkampf zu ziehen – mit Kremendahl als Spitzenkandidat: „Die Wuppertaler SPD steht hinter Hans Kremendahl als freigesprochenen Oberbürgermeister“, sagte der Wuppertaler SPD-Vorsitzende Dietmar Bell gestern bei einer Pressekonferenz.

Bell erklärte weiter, dass sich die Haltung der Partei nicht ändere, schließlich habe man Kremendahl bereits vor einiger Zeit „in Kenntnis der Rechtslage bestätigt.“ Ohnehin haben die Genossen keine andere Wahl: Die Frist, einen neuen OB-Kandidaten zu nominieren, ist bereits am 9. August verstrichen.

Rückblende: Im Winter des Jahres 2002 wurde der frühere Berliner Staatssekretär Kremendahl vor dem Wuppertaler Landgericht der Bestechlichkeit bezichtigt. Und obschon er im OB-Wahlkampf 1999 nachweislich eine halbe Million Mark von dem Wülfrather Bauunternehmer Uwe Clees angenommen hatte, wurde Kremendahl freigesprochen – da ihm aktive Bestechlichkeit angeblich nicht nachzuweisen war. Clees hingegen wurde zu 14 Monaten Haft auf Bewährung und 150.000 Euro Geldbuße verdonnert. Der Bestochene blieb unbescholten, der Bestecher nicht – einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte.

Das wusste auch das Landgericht, dem der Fall offenbar eine Nummer zu groß erschien: So empfahl Richter Helmut Leithäuser damals ausdrücklich, das Urteil durch eine Revision prüfen zu lassen – wozu es nun kommen wird: Die Bundesanwaltschaft hat den BGH aufgefordert, den Freispruch des Landgerichts aufzuheben. Die Bundesanwälte sehen es als erwiesen an, dass sich Kremendahl durch die Entgegennahme der „Spende“ der Vorteilsnahme strafbar gemacht hat. Kremendahls Verteidiger Sven Thomas beantragte dagegen, das höchste deutsche Gericht solle den Freispruch aufrecht erhalten.

So weit, so förmlich. Was aber wäre, wenn Kremendahl doch noch verurteilt würde? Schließlich lässt sich das BGH enorm viel Zeit, sein Urteil zu fällen. Der Vorsitzende des 3. Strafsenats, Klaus Tolksdorf, kündigte bereits an, dass es sich hier um ein Grundsatzurteil handle. Zur Debatte steht die Frage, unter welchen Prämissen sich Politiker durch die Entgegennahme von Spenden strafbar machen. Ferner deutete er an, dass die Korruptionsvorschriften möglicherweise einschränkend interpretiert werden müssten.

Es könnte also doch noch brenzlig werden für Kremendahl. Denn sollte er tatsächlich erst am 26. September gewählt und einen Monat später verurteilt werden, stünden in Wuppertal wohl Neuwahlen bevor. Doch als die Genossen gestern geschlossen vor die Presse traten, um ihren ersten Mann zu stützen, waren sie sich ihrer Sache ziemlich sicher: „Wir lassen uns nicht auf Spekulationen ein“, betonte der Vorsitzende Bell gegenüber der taz. Die SPD sei von einem Freispruch überzeugt.

BORIS R. ROSENKRANZ