Auf ins Schlachtgetümmel

Zweifel bleiben: Konzept für 30 Millionen Euro teures, umstrittenes „Internationales Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ in Hamburg nährt den Verdacht, dass die Privatsammlung ungefiltert in ein öffentliches Museum überführt werden soll

Geschäftsführerin Nikolov: „Als Bulgarin sehe ich diese Dinge etwas freier“

von Petra Schellen

Legte man eine solche Mappe einem Doktor- oder auch nur Magistervater vor – sie würde einem mit der dringlichen Bitte um Tiefgang zurückgegeben. Doch Hamburgs wechselnden Senaten kann man es offensichtlich zumuten, das „Konzept“ des umstrittenen „Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseums Peter Tamm“, das mit 30 Millionen Euro sowie 99-jähriger Erbpacht des denkmalgeschützten Kaispeichers B in der Hafencity gesponsert wird.

„Keine Ideologie“ vermochten Mitglieder des jüngsten Hamburger Kulturausschusses im Sachstandsbericht von Tamm-Geschäftsführerin Russalka Nikolov zu finden. Denn irgendwie scheint man sich das Fröhlichsein über den musealen Zugewinn – der Ex-Springer-Vorstandschef vermacht seine Privatsammlung der Stadt – streng verordnet zu haben. Ende 2005 soll das Haus eröffnet werden. Insgesamt 30 Millionen Euro (taz berichtete) bekommt Tamm für den Ausbau des 15.000 Quadratmeter großen Speichers. Und wenn auch bereits vom rot-grünen Vorgängersenat getroffene Entscheidung endgültig ist – Vertragsunterzeichnung war am 24. Juni 2004 –, bleiben Zweifel. Denn nicht nur die Finanzierung ist umstritten – von 15 einzuwerbenden Privatmillionen existieren erst drei –, sondern auch die Präsentation der Sammlung, die einen erheblichen Militaria-Anteil bis in die Nazizeit hinein aufweist.

Doch einen externen Kurator hat sich der Senat – froh, die Renovierung des maroden Gebäudes gesichert zu haben – nicht vorbehalten. So ist damit zu rechnen, dass Tamms Sammlung – derzeit in seiner Elbchaussee-Villa aufbewahrt – recht ungefiltert gezeigt wird. Dabei ist die Quantität der Exponate, deren wissenschaftlicher Wert umstritten ist, sicherlich eindrucksvoll: 26.000 Schiffsmodelle, 40.000 Konstruktionspläne, 5.000 Gemälde, 2.000 Filme, 1.500.000 Fotos, 120.000 Bücher sowie etliche nautische Instrumente, Uniformen und Waffen hat Tamm zusammengetragen.

Doch wie auswählen, woher sich wissenschaftliche Unterstützung für ein Museum holen, das solchen Zündstoff birgt? „Wir haben genügend eigene ehemalige Wissenschaftler“, sagt Nikolov. „Wir nennen sie unsere Rentner-Gang.“ Wie könnte also ein außen stehender, kompetenter wissenschaftlicher Beirat aussehen? „Ich weiß gar nicht, warum unsere Wissenschaftlichkeit immer in Zweifel gezogen wird“, kontert Nikolov solche Blasphemien. „Wir arbeiten mit Museen in aller Welt zusammen.“ Um welche Projekte außer der Hamburger „art maritim“ zur „hanseboot und der „Piraten“- und „Seewärts“-Ausstellung es sich handelt, verrät die Dame allerdings nicht. Auch in puncto Ausstellungskonzept „laufen Gespräche auf internationaler Ebene“, sagt sie nur.

Russalkas Wortwahl im Sachstandsbericht bestätigt dies allerdings nicht: Unwahrscheinlich, dass etwa das Deutsche Museum Sätze wie „Der Machtausgleich auf See erfolgte auch im Schlachtgetümmel“ oder „Der Schrecken der Endgültigkeit hat auch Weltgeschichte geschrieben“ unterschriebe. Ein voyeuristischer Blick auf Kriegsdarstellungen scheint hier durch, der sich einseitig auf blutrünstig-spektakuläre Spots richtet. „Keinerlei Ideologie“ vermag Nikolov in solchen Formulierungen zu finden. „Außerdem sehe ich diese Dinge als Bulgarin etwas freier.“

Im übrigen seien Schlachtengemälde gerade geeignet, etwa Kinder vom Wert des Friedens zu überzeugen. Warum ein Großteil der Exponate dem 19. Jahrhundert entstamme, wollte ein anderes Ausschussmitglied wissen. „Wir möchten größtenteils mit Originalen arbeiten, und die stammen eben aus dieser Zeit“, so Nikolov. Ein fast sympathisch offenes Eingeständnis einer Liebhabersammlung, die Ansprüche an ein öffentliches Museum nicht erfüllt.

Und Tamms allgemeine Maxime? „Wir wollen Geschichte vermenschlichen und in Einzelschicksalen präsentieren“, sagt Nikolov. Das klingt nach einem bequemen Rückzugsort, der Geschichte so lange in Einzelsplitter zerlegt, bis der Betrachter nicht mehr bemerkt, dass der Blick auf Zusammenhänge verstellt wird. So betäubt, wird er dann empfänglich für Thesen von der angeblichen Schicksalhaftigkeit von Kriegen. Oder, wie Peter Tamm es so gern formuliert: „Die Waffe hat den Menschen über die anderen erhoben.“ Wohl bekomm‘s.