AUS HILFLOSIGKEIT KEHREN DIE USA IM IRAK ZUR OFFENEN SCHLACHT ZURÜCK
: Überlegenheit ohne Autorität

Die USA sind eine Macht, die zwar jedem denkbaren militärischen Gegner überlegen ist, aber nach dem Krieg die Lage nicht in den Griff bekommt – so bekommt es die Bush-Regierung häufig von Kritikern zu hören. Diesem Vorwurf treten die Kriegsherren in Washington nun mit der ihr eigenen Art entgegen: Wenn sie schon die komplexe Dynamik der Gewalt im Irak nicht kontrollieren können, dann gilt es eben, zur traditionellen Schlachtordnung zurückzukehren. In einem herkömmlichen Krieg ist die Überlegenheit der US-Streitkräfte schließlich unbestritten.

Bei den Kämpfen gegen die Miliz des Muktada Sadr in Nadschaf ist den US-Truppen ein kurzfristiger Erfolg natürlich sicher. Doch davon gab es im Irak schon viele, jedes Mal sollte dort alles besser werden. Selten wurden die Erwartungen erfüllt. Schlimmer noch. Nie besaßen die US-Besatzer so wenig Legitimität und Autorität wie jetzt.

Ausgerechnet die von den USA eingesetzte irakische Regierung hat dazu beigetragen, das noch stärkste moralische Argument für eine weitere US-Präsenz im Irak weiter zu entkräften: Einer Demokratie ist der Irak in den ersten sechs Wochen der Amtszeit Allawis jedenfalls keinen Schritt näher gekommen. Dafür darf nun in Iraks Kerkern die Todesstrafe wieder vollstreckt werden. Und ausgerechnet im Irak, der vorgeblich zu einem Leuchtturm der Demokratie in der Region werden sollte, darf eine Regierung unter der Obhut der USA dem Sender al-Dschasira, der etwas mehr Offenheit in die arabische Welt bringt, die Arbeit verbieten.

Bei der Eindämmung der alltäglichen Gewalt versagen die US-Truppen ohnehin. Die stärkste Militärmacht der Geschichte kann nicht verhindern, dass jeden Monat allein in Bagdad hunderte unaufgeklärter Morde geschehen und ungezählte Menschen entführt werden: Je mehr die US-Militärs darum bemüht sind, noch mehr Tote und Verletzte in den eigenen Reihen zu vermeiden, desto mehr müssen sie sich zwangsläufig von solchen Problemen fern halten. Wenn aber US-Militärs im Irak weder Demokratie noch eine Abnahme der Gewalt gewährleisten können, verlieren sie endgültig ihre Legitimation und Autorität. Die Frage nach einem Abzug der US-Truppen muss dann wieder gestellt werden. Besser würde die Situation damit auf Anhieb selbstverständlich nicht. Aber sie würde auch nicht unbedingt schlechter.

Ein Test wird aber wohl ausbleiben. Die USA werden noch lange bleiben. Und in offenen militärischen Schlachten, wie jetzt in Nadschaf, dürften die US-Besatzer immer mal wieder ihre Überlegenheit demonstrieren. Das beruhigt die Heimatfront. Den Irak wird dies aber weder demokratischer noch friedlicher machen. ERIC CHAUVISTRÉ