Gbagbo oder „Des Widerspenstigen Zähmung“

Der neue Friedensvertrag für die Elfenbeinküste zwingt Staatschef Gbagbo und seine „Patrioten“ zu Kompromissen

ABIDJAN taz ■ Dieses Mal wollten sie feiern, nicht demonstrieren. Als Veranstaltungsort wählten die „Jungen Patrioten“ den Kulturpalast von Abidjan, mit wunderschönem Blick über die Lagune zum Geschäfts- und Stadtzentrum „Plateau“ mit seinen Hochhäusern. Am Eingang zum Kulturpalast stehen die Milizen der „Jungen Patrioten“ und fordern zur Leibesvisitation auf. Danach kommt eine Kontrolle von ivorischen Soldaten mit Maschinengewehren. Auch im Saal patrouillieren Soldaten.

So feierten kürzlich die radikalen Nationalisten der Elfenbeinküste mit all ihren Führern, an erster Stelle Milizenchef Charles Blé Goudé. Auf Transparenten über der Bühne steht: „Blé Goudé: du voran, wir hinterher“. Einer seiner Mitstreiter preist den Mittdreißiger mit seinem Spitznamen „die Machete“.

Der Name ist Programm. Der Einfluss von Charles Blé Goudé auf die ivorische Politik ist nicht zu überschätzen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass den Organisationen um Blé Goudé mehr Geld aus dem Präsidentenamt zur Verfügung steht als vielen Ministerien. Diese paramilitärischen Verbände sind Präsident Laurent Gbagbos Hausmacht.

Bei vergangenen Aufmärschen brachten Blé Goudé und seine Mannen hunderttausende auf die Straße. Diesmal im Kulturpalast sind es nur noch etwa 3.000. Dabei bietet das Rahmenprogramm einige der bekanntesten Musikstars der Elfenbeinküste, und das bei freiem Eintritt.

Die Veranstaltung ist Test dafür, ob die radikalen Anhänger Gbagbos das neueste Friedensabkommen anerkennen, das Regierung und Rebellen der Elfenbeinküste am 30. Juli in Ghana unterzeichneten. Es sieht eine Rückkehr zur gemeinsamen Regierung, eine Entwaffnung der bewaffneten Verbände beider Kriegsparteien und politische Reformen vor.

Blé Goudé spricht hier fast zeitgleich mit Staatschef Laurent Gbagbos Rede an die Nation – die erste nach den Verhandlungen in Accra. Der „Patrioten-Chef“ betont, dass es eine freundliche Geste des Präsidenten sei, das Kabinett wieder in der alten Form zusammenkommen zu lassen, also mit den Ministern aus den Rebellengruppen. Zwischen den Zeilen wird aber Widerwillen deutlich. Keine ermutigenden Aufforderungen an das Publikum, aus dem Friedensprozess das Beste zu machen. Stattdessen der Vorwurf des aufgezwungenen Kompromisses.

Auch Präsident Laurent Gbagbo findet in seiner Rede nicht die Worte eines Friedensstifters. Er sagt zwar, er werde die Vereinbarungen umsetzen. Aber es kommen immer noch die alten trotzigen Anspielungen, dass der „Süden“ – der von Gbagbo regierte Landesteil um die Metropole Abidjan – es auch ohne den von den Rebellen kontrollierten „Norden“ schafft.

Doch in Zukunft wird es für Gbagbo schwieriger, Friedensverträge nicht umzusetzen. Denn bei diesem Abkommen steht zum ersten Mal seine eigene Unterschrift unter dem Dokument, nicht nur die seiner Vertreter. Afrikanische Staatschefs und UNO-Generalsekretär Kofi Annan haben mit unterzeichnet. Offizieller geht es kaum.

Die Allparteienregierung, die es 2003 schon einmal wenige Monate lang gab und die dann auseinander gebrochen war, ist in dieser Woche schon zweimal wieder in ihrer ursprünglichen Form zusammengekommen. Seit gestern berät sie über die Umsetzung von Verfassungsreformen und Gesetzesänderungen zu den Hauptstreitpunkten: Landrecht, Staatsbürgerschaftsrecht, Wahlrecht. Die vereinbarten Reformen muss das Parlament laut Abkommen noch diesen Monat verabschieden. Aber es bleiben Zweifel, ob der sauerste aller Zankäpfel, die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts, von Gbagbo geschluckt wird.

Wenn die Reformen wie geplant verabschiedet werden, sollen Rebellen und „patriotische“ Milizen Mitte Oktober mit der Entwaffnung beginnen. Aus Sicht der rund 5.000 Mann starken UN-Blauhelmmission in der Elfenbeinküste führt an all dem kein Weg vorbei. „Unsere Geduld ist am Ende“, sagt UN-Sprecher Jean-Victor Nkolo. „Wenn der Zeitplan nicht eingehalten wird, drohen Sanktionen.“ Und nicht nur das: Die Weltbank hat ihre Finanzhilfen für die Elfenbeinküste eingestellt, und so könnte der Regierung schon im Herbst das Geld ausgehen. Wenn Staatsbedienstete keine Gehälter mehr erhielten, dürfte das die Unruhe verschärfen. HAKEEM JIMO