fußpflege unter der grasnarbe
: Die Lufthoheit über der Fankurve

Das ist der Traum und Albtraum jedes Journalisten gleichermaßen: Einen solchen Interviewpartner zu bekommen wie Weizen-Waldi am Samstagabend mit Rudi Rumpelstilz. Die Regeln im Sportjournalismus sind gemeinhin andere: Wer einmal samstags im Volksparkstadion in die bedauernswerte Situation gekommen ist, die „HSV-Show“ des Norddeutschen Rundfunks vorm Anpfiff über sich ergehen lassen zu müssen, der weiß diese Sternstunde im TV um so mehr zu würdigen. Das Ende der Kumpelei – bezeichnenderweise aufgekündigt nicht von Seiten des Journalisten, sondern vom Trainer.

Normalerweise läuft es so ab: Ein Mann in einer roten Jacke steht auf dem Rasen der Arena im Volkspark. Er tut so, als hielte er kein Mikrofon in der Hand, sondern müsse jeden Zuschauer im weiten Rund allein mit der Kraft seiner Stimmbänder erreichen. Irgendwann, wenn es auf 15.30 Uhr zugeht, brüllt er die Vornamen der HSV-Mannschaftsaufstellung in die Menge, dazu lässt er sich von einem Hubkran vor der Fankurve des HSV in die Höhe fahren, initiiert die Stadionwelle der Fans und erweckt den Eindruck, als sei er einer von ihnen. Was er aber nicht ist: Der Mann heißt Holger Ponik und ist Angestellter des NDR, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die sich mal zu aufklärerisch-kritischem Journalismus verpflichtet hat, einer Anstalt, die das tägliche Ausstrahlen von Tagesschau und Tagesthemen verantwortet und mal einen Hanns Joachim Friedrichs in ihren Reihen hatte, der den schönen Satz sagte: „Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten.“

Nun kann man am Küchentisch lange darüber diskutieren, ob das Bangen zugunsten des HSV eine gute Sache ist oder nicht. Die Frage stellt sich für die Rotjacke allerdings gar nicht mehr, da es für ihn bedeutsamer ist, mit Mehdi oder Rodolfo oder Bernardo oder Kurt ein bisschen herumzukumpeln, betäubt von der eigenen Pseudo-Wichtigkeit.

Derweil gibt im Hörfunkstudio des NDR an der Rothenbaumchaussee Uwe Bahn den Ton an: Seine Sendung heißt selbstredend auch „Die Bundesliga-Show“. Bahn, der Vorgänger der Rotjacke im Volksparkstadion war, witzelt ein bisschen herum, drückt sich die Daumen rot für die Nordclubs und gibt ansonsten den öffentlich-rechtlichen Marktschreier. Wer Leute wie Bahn zu erdulden hat, wird nie mehr jubilieren, wenn davon die Rede ist, dass nun endlich wieder die Öffentlich-Rechtlichen die Lufthoheit über die Fußball-Bundesliga zurückgewonnen haben.

Dass Völlers heiliger Zorn mit dem Verdikt, „es wird hier zu hart berichtet“, nun ausgerechnet mit Gerhard Delling den NDR-Sportchef erwischt hat, ist daher eigentlich eine nette Fußnote. Bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Paris in der Vorwoche hatte sich Delling als Stadionreporter noch jede kritische Frage gegenüber den deutschen Vorlaufversagern verkniffen. Und das ist jetzt der Dank dafür.

Fotohinweis: Peter Ahrens saß bei der Jugend von Sportfreunde Paderborn meist auf der Ersatzbank. Als Kind träumte er davon, wie Jupp Heynckes zu werden. Der Traum ging glücklicherweise nicht in Erfüllung.