Großoffensive der USA in Nadschaf

Die US-Truppen im Irak haben die Miliz des Schiiten-Predigers Muktada Sadr bei der Grabmoschee des Imams Ali eingekreist und liefern sich schwere Gefechte mit den Milizionären. Der Friedhof wurde bombardiert. Die Anwohner sind geflohen

aus Bagdad INGA ROGG

US-amerikanische und irakische Soldaten haben am frühen Donnerstagmorgen in Nadschaf eine Großoffensive gegen die Miliz des militanten Predigers Muktada Sadr gestartet. Unterstützt von Panzern und Helikoptern rückten tausende Marineinfanteristen und irakische Nationalgardisten in den heiligen Bezirk um die Grabmoschee von Imam Ali vor. Dabei ließen die Marines keinen Zweifel an ihrer Absicht. „An die Bewohner von Nadschaf: Die Koalitionstruppen säubern die Stadt von der Mahdi-Armee“, hieß es in Lautsprecheransagen.

Tags zuvor hatten die USA die Vorbereitung einer Großoffensive gegen die Miliz des Predigers bekannt gegeben, nachdem dieser mit der Sprengung von Ölpipelines im Südirak gedroht hatte. Mit der Operation wolle man die Bewegungsfreiheit der Sadr-Miliz in Nadschaf und dem nahe gelegenen Kufa einschränken und sie auf dem Gelände der beiden Moscheen isolieren, sagte der US-Militärsprecher in Bagdad, Erv Lessl. Bereits am Mittag war der Ring so dicht, dass Bewohner den Innenbezirk nur noch über vereinzelte Kontrollpunkte verlassen konnten.

Augenzeugen berichteten von heftigen Kämpfen im Zentrum der Pilgerstadt. Immer wieder waren schwere Explosionen und Schusswechsel zu hören. Nach Korrespondentenberichten kam es aber auch in verschiedenen Außenbezirken zu Feuergefechten. Über dem Friedhof, auf dem sich die Mahdi-Milizionäre schon seit einer Woche Gefechte mit den US- und den irakischen Truppen liefern, kreisten US-Kampfflugzeuge und Helikopter.

Am Rande des Friedhofs zog eine Panzerkolonne auf, während auf umliegenden Dächern Marineinfanteristen in Stellung gingen. Kampfflugzeuge sollen die Gegend um das Wohnhaus von Muktada Sadr bombardiert haben. Das Haus liegt in unmittelbarer Nähe der Grabmoschee.

Erstmals seit Ausbruch der Kämpfe vor einer Woche hat sich Großajatollah Ali Sistani zu Wort gemeldet. Der Geistliche habe die USA aufgefordert, die heilige Stadt und ihre Heiligtümer zu respektieren, sagte ein Sprecher Sistanis. Sistani hält sich nach offizieller Darstellung derzeit zu einer Herzbehandlung in London auf. Der Geistliche sei über die Ereignisse in Nadschaf sehr besorgt.

Mit der Militäroffensive gehen die USA ein hohes Risiko ein. Sollte die Grabmoschee beschädigt werden, könnte das eine Protestwelle nicht nur im Irak, sondern unter den Schiiten weltweit provozieren. Für Freitag sind sowohl in Teheran wie in Beirut Massenaufmärsche gegen das US-amerikanische Vorgehen geplant.

Ein Sprecher des irakischen Innenministeriums erklärte, dass es keine Pläne für ein Vordringen der US-Truppen auf das Gelände des Heiligtums gebe. Die Entwaffnung der Mahdi-Miliz sei allein Aufgabe der irakischen Sicherheitskräfte. Dennoch verfolgt man die Entwicklung unter den Schiiten mit einigem Misstrauen, antiamerikanische Ressentiments haben seit den Kämpfen im Frühjahr deutlich zugenommen.

In Bagdads Schiitenviertel Kadhimije und in Basra gingen am Donnerstag Tausende gegen die Militäroffensive auf die Straße. „Lang lebe Sadr, die Amerikaner und Allawi sind Ungläubige“, skandierten die Demonstranten. Bereits am Mittwoch war es in Nassirija und anderen südirakischen Städten zu Demonstrationen gekommen.

Aus Protest gegen die Offensive ist ein Mitglied des Stadtrats von Nadschaf von seinem Posten zurückgetreten. „Ich verurteile die terroristischen Akte und die Bombardierung von Nadschaf und der Imam-Ali-Moschee“, sagte Dschawdat Kadhim al-Kureischi. „Ich verurteile alle von den amerikanischen Truppen begangenen terroristischen Akte.“ Nach Angaben des Gouverneurs von Nadschaf, Adnan al-Surufi, war Kureischi von Sadr-Anhängern zu dem Schritt gezwungen worden, die seinen Vater in ihre Gewalt gebracht hatten.

Mit Durchhalteparolen forderte Sadr seine Anhänger auf, den Kampf fortzusetzen. „Kämpft weiter, selbst wenn ich zum Gefangenen oder Märtyrer werde“, hieß es in einer Erklärung.

Hunderte von Zivilisten sind vor den Kämpfen in die Außenbezirke oder in andere Städte geflohen. Das Notdürftigste in einfache Säcke gepackt und ihre Kinder an der Hand versuchten Frauen den Kämpfen zu entkommen. Nach Angaben eines Krankenhausmitarbeiters wurden bei den Kämpfen fünf Zivilisten getötet. Dabei zeichnete er ein katastrophales Bild von der medizinischen Versorgung in der Stadt. „Die Konfliktparteien hindern unsere Ambulanzen daran, die Verletzten zu versorgen“, sagte er. „Wir sind hier lahm gelegt.“