angriff der klone von RALF SOTSCHECK
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Die Linke lebt und vermehrt sich rasant. Jedenfalls in der Ukraine. Seit Ende der Neunzigerjahre haben sich in der ehemaligen Sowjetrepublik ein Dutzend linker Parteichen mit wohlklingenden Namen gegründet und sich nach Vorbild ihrer westlichen Schwesterorganisationen nach Herzenslust gespalten.

Es gibt nur ein Problem: Sämtliche Organisationen bestehen aus denselben fünf Leuten, die offenbar den Film „Das Leben des Brian“ gesehen hatten, in dem die judäische Befreiungsfront gegen die Befreiungsfront Judäas kämpft. Die fünf Ukrainer, die sich bei einer Amateurtheatergruppe kennen gelernt hatten, schlossen in Großbritannien Bündnisse mit dem „Komitee für eine Arbeiterinternationale“, der „Liga für eine revolutionäre Partei“, der „Internationalen bolschewikischen Strömung“, der „Liga für die fünfte Internationale“ und einigen anderen, nicht minder bedeutenden Organisationen der westlichen Welt.

Die fünf jungen Ukrainer waren außerordentlich gut informiert und sagten stets das, was die jeweilige Schwesterpartei hören wollte – einschließlich der Schmähungen anderer Organisationen. Sie produzierten sogar für jedes ihrer Opfer das passende Flugblatt. Und wenn ihnen doch mal ein Fehler unterlief, inszenierten sie geschwind eine Spaltung, damit sich die Absplitterung die passende Ideologie zulegen konnte. Bei den westlichen Gruppen schöpfte niemand Verdacht, weil man scharf darauf war, möglichst viele Klone der eigenen Organisationen im ehemaligen Ostblock zu schaffen. So waren die fünf Ukrainer unter ihren diversen Decknamen gern gesehene Gäste auf den Veranstaltungen ihrer britischen „Genossen“ – inklusive Spesen, versteht sich. Auch mit Geldspenden waren die Freunde aus dem Westen großzügig. Mindestens drei britische Organisationen bezahlten die Miete für das Büro ihrer vermeintlichen Schwesterpartei in Kiew.

Herausgekommen ist die Sache, weil ein Mitglied der winzigen „Arbeitermacht“ vor dem Kollegen der verfeindeten „Internationalen bolschewikischen Strömung“ damit angegeben hat, dass die ukrainische Sektion seiner Partei größer sei als die der Bolschewiken. Triumphierend zog er ein Foto aus der Tasche, auf dem er mit zwei ukrainischen Delegierten abgebildet war. Dem Bolschewikenströmungsmann strömte das Blut in den Kopf: Auf dem Foto waren der Präsident und der Generalsekretär seiner eigenen ukrainischen Klontruppe zu sehen.

Die britischen Organisationen versuchen nun, Spott und Schaden zu begrenzen. Manche behaupten, dass der ukrainische Geheimdienst hinter dem Täuschungsmanöver stecke, andere verdächtigen finstere kapitalistische Mächte, die Angst vor der Weltrevolution haben. Dass es einfach nur fünf junge Männer waren, die sich ein paar Auslandsreisen und ein bisschen Taschengeld ergaunert haben, möchte man nicht zugeben. Die ukrainischen Organisationen haben sich über Nacht aufgelöst. Nur das „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ kam ihnen zuvor und schloss den ukrainischen Klon aus.