Sechs seelisch solide Riesen

„Wir bleiben locker“: Nach zwei unerwartet wuchtigen Auftaktsiegen feiern die deutschen Volleyballer nicht nur den Geburtstags ihres Besten, sondern auch die Dienste ihres Seelenklempners

Der Mittelblocker ahnt bereits, dass das mit dem Siegen nicht so weitergehen wird

aus Karlsruhe FRANK KETTERER

Und dann, als die größte Sause fast schon vorüber war, sind die Menschen im tosenden Quadrat aus Betonwänden noch ein letztes Mal aufgesprungen von ihren Plätzen, um die Hünen dort unten auf dem grünen Feld mit ihrer wilden Begeisterung zu übergießen. Gut 4.000 Menschen erhoben sich also, trampelten, johlten, klatschten, das ganze Programm der Entzückung eben – und dann ließen sie das Spiel, das ihnen die langen Lulatsche geschenkt hatten, genau so ausklingen, wie sie es begonnen hatten: Mit einem Geburtstagsständchen für den blonden Kerl mit der Nummer 12.

4.000 Menschen sangen „Happy Birthday lieber Pampi“ – und der liebe Pampi stand da und war ein bisschen gerührt und auch ein bisschen sprachlos. Als der Hallensprecher Pampi, der mit richtigem Namen Christian Pampel heißt, dann fragte, was das für ein Gefühl sei, ausgerechnet an seinem 24. Geburtstag mit der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft mit 3:0 gegen Tschechien zu gewinnen, und das auch noch bei der EM im eigenen Land, konnte das Geburtstagskind jedenfalls nicht mehr sagen als: „Ganz einfach: Es ist ein geiles Gefühl.“

Das dürfte derzeit nicht nur die eigene Befindlichkeit punktgenau beschreiben, sondern die der ganzen Mannschaft. Zwei Spiele (gegen die Slowakei und Tschechien), zwei Siege (3:1 und 3:0), damit das vor dem kontinentalen Championat propagierte Ziel, die Reise nach Berlin, wo ab Samstag die Finalrunde ausgetragen wird, bereits so gut sicher gebucht. „Wenn mir vor der EM jemand gesagt hätte, dass das so kommt, hätte ich ihn sofort zum Essen eingeladen“, sagte Stelian Moculescu. Bestimmt hätte der Bundestrainer ein Fünf-Gänge-Menü springen lassen und dann noch beim Dessert von der Leistung seiner Mannschaft geschwärmt, obwohl er doch eigentlich gar nicht zu Euphorieausbrüchen neigt.

Mehr als durch das nackte Resultat überzeugte das DVV-Team in der neuen Messehalle zu Karlsruhe bisher nämlich durch die Wucht seiner Auftritte. „Wir haben mehr gezeigt, als wir eigentlich können“, hatte Moculescu bereits nach dem Auftaktsieg gegen die Slowaken, das einzige Team bei dieser EM, das in der Weltrangliste schlechter postiert steht als die Deutschen, konstatiert und damit zuvorderst den vierten und letzten Satz gemeint. Nach der Partie gegen Tschechien sagte der Bundestrainer: „Heute haben wir besser gespielt. Vom ersten bis zum letzten Ball wie aus einem Guss.“

Gerade diese im Spitzenvolleyball nicht ganz unwesentliche Qualität der Konstanz auf hohem Niveau war bisher nicht gerade als Stärke der deutschen Schmettermänner auffällig geworden. Wenn’s eng wurde im Spiel, das war zuletzt in der Weltliga ausreichend zu besichtigen, zogen die netten Kerle vom DVV bisweilen lieber die Köpfe ein anstatt wacker gegenzuhalten. Bei der EM ist das anders: Da stehen sechs Riesen mit breiter Brust auf dem Feld – und man kann ihnen ansehen, wie sehr sie an sich glauben und dass sie nicht gewillt sind, auch nur ein Pünktlein ohne Gegenwehr abzugeben. Und wenn sie es mal tun, holen sie sich eben wieder den nächsten Punkt – und den übernächsten gleich noch mit.

„Meine Jungs zeigen hier, dass sie auch unter großem Druck eine gute Leistung bringen können“, fasst Moculescu das zusammen und grinst sich dabei eins, weil er auch daran im Vorfeld hat feilen lassen – von Mentaltrainer Dr. Wolfgang Klöckner nämlich. Im Klettergarten war der mit dem Team, das ein oder andere Gespräch hat er zudem geführt. „Das“, glaubt Moculescu, „hat die Mannschaft zusammengeschweißt.“ Wobei der Bundestrainer Wert darauf legt, dass Klöckner kein Seelenklempner sei, der seinen Jungs einrede, sie seien die Größten, Besten oder auch nur die Schönsten. „Davon halte ich nichts“, sagt Moculescu, „aber ich halte sehr viel davon, dass jemand jungen Leuten zeigt, wie sie mit kritischen Situationen umgehen können.“ Pampi, das Geburtstagskind, sagt: „Wir gehen locker ins Spiel und bleiben dort auch locker.“ Moculescu sagt: „Die Arbeit von Dr. Klöckner trägt Früchte.“

Bei Pampel kann man das sogar in den Statistiken ablesen: So geschickt hat er den Gegnern bisher die Bälle um die Ohren gehauen, dass er in so ziemlich allen Listen unter den Besten geführt wird. Auch Frank Dehne, der Zuspieler, der Pampi und Kollegen die Bälle passgenau in die Schmetterhand spielt, taucht dort auf. Von ihm sagt der Bundestrainer: „Er hat eine Metamorphose gemacht“, weil Steller Dehne die Bälle permanent so gut verteilt wie nie zuvor in seinem Leben – und ein bisschen umschreibt das mit der Verwandlung die Leistung des ganzen Teams.

„Es ist schön, so eine Entwickling mitmachen zu dürfen“, findet Ralph Bergmann, der Mann vom Mittelblock, auch wenn er ahnt, dass das mit dem Siegen nicht so weitergehen wird bei dieser EM, schließlich warten schon ab Mittwoch in Leipzig Frankreich und Italien, zwei Teams aus der vordersten Weltspitze. „Ich tendiere dazu, ruhig zu bleiben“, sagt Bergmann deshalb, auch Pampel weiß, dass man bisher am Rande der eigenen Leistungsfähigkeit aufgetrumpft hat. „Wenn wir dieses Niveau nicht halten können, verlieren wir auch ganz schnell“, stellt er fest. Angekündigt hat Pampel trotzdem: „Wir sagen jetzt nicht: Okay, wir sind mit zwei Siegen zufrieden. Jetzt wollen wir auch noch mehr.“ Den Geburtstagskuchen hat er nicht gemeint.