„Neuengamme endlich befreit“

Das einstige Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme ist kein Gefängnis mehr: Erstmals konnten dort ehemalige KZ-Häftlinge ungehindert der Opfer des Nazi-Terrors gedenken. Das Gelände soll Begegnungs- und Studienzentrum werden

HAMBURG dpa ■ Das Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme war die „Hölle auf Erden“. 106.000 Häftlinge wurden dort bis 1945 geschunden, mehr als 55.000 starben. Rund 300 frühere KZ-Häftlinge und Hinterbliebene gedachten am Samstag auf dem früheren Appellplatz der Opfer des Nazi-Terrors. Der 85-jährige Fritz Bringmann erinnerte sich: „Auf diesem Appellplatz wurden Häftlinge vor den Augen der gesamten Lagerbelegschaft erhängt, gedemütigt, indem man sie zur Strafe auf einem Block festschnallte und auspeitschte. Hier fanden oft stundenlange Zählappelle bei sengender Sonne oder schneidender Kälte statt.“

Jahrzehntelang hatten die Überlebenden keine Möglichkeit, dort ihrer Kameraden zu gedenken: der Platz war Teil eines Gefängnisgeländes, das 1948 eingerichtet worden war. Das Motto der Gedenkveranstaltung „Neuengamme enfin libéré (Neuengamme endlich befreit)“ gab die Gefühle der ehemaligen Häftlinge angesichts der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um diesen Ort wieder.

„Mit Mauern und Stacheldraht wirkte es immer wie: das KZ gibt es noch“, meint der 79 Jahre alte belgische Neuengamme-Überlebende Walter Risa. Für den 76-jährigen Polen Janucz Kahl war das Gefängnis auf dem KZ-Gelände ein „Dorn im Leib“ und eine „Schändung der Opfer“. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) räumte ein: „Viel zu lange haben wir den Überlebenden nicht die Freiheit eingeräumt, zu entscheiden, was die einzig würdige Form des Gedenkens ist.“

Bereits 1989 hatte der Senat beschlossen, die Justizvollzugsanstalt (JVA) zu verlegen. Eine Kommission erarbeitete Empfehlungen zur Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte, die 1993 von Senat und Bürgerschaft gebilligt wurden und bis heute Planungsgrundlage sind. Doch die für 1995 geplante Gefängnisverlagerung ließ auf sich warten. Nach organisatorischen und finanziellen Problemen in SPD- Regierungszeiten stellte die neue Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP den Beschluss im Oktober 2001 sogar grundsätzlich wieder in Frage. Nach bundesweiter Entrüstung versprach der Senat schließlich: „Die JVA kommt 2003 weg.“ Zum 30. Juni zogen die Gefangenen in die neue JVA Hamburg-Billwerder um.

„In kaum einer anderen Gedenkstätte sind heute noch so viele ehemalige KZ-Gebäude erhalten wie in Neuengamme“, sagt Leiter Detlef Garbe. Es gebe 15 größere Bauten wie Häftlingsunterkünfte, Teile des Lagers für Wachmannschaften und ein Klinkerwerk. In den kommenden zwei Jahren soll ein etwa 70 Hektar großes Ausstellungs-, Begegnungs- und Studienzentrum entstehen und zum 60. Jahrestag der Befreiung eröffnet werden. Auch Fritz Bringmann, der zehn Jahre in Neuengamme saß, blickt nach vorn: „Ich war im KZ, weil ich gegen die Menschenrechtsverletzungen des Nazi-Regimes protestiert habe. Neuengamme soll nun ein wirklicher Lernort für junge Menschen werden – für die Menschenrechte und gegen den Krieg.“