Max Raabe will sich nicht schämen

Der näselnde Berliner Bariton gastiert bis Ende August im Kölner Opernhaus. Mit seinem Palastorchester kredenzt er Lieder, die einerseits banal und naiv sind, andererseits ehrlich und rührend. Dem Publikum gefällt‘s gut

Kein anderes Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts übt eine derart ungebrochene Faszination auf die Menschen aus wie die 20er Jahre. Sehr gerne werden deshalb den 20ern Adjektive wie „golden“ oder „wild“ angeheftet. Bubikopf und Charleston, Marlene Dietrich und Josephine Baker – trotz Wirtschaftskrise und politischer Radikalisierung blühte damals die Kultur, und nirgendwo blühte sie so bunt wie in Berlin. Auf diesen Spuren wandelt Max Raabe mit seinem Palast Orchester. Bis Ende August gastiert der Sänger mit seiner neuen Show „Palast Revue“ im Kölner Opernhaus.

Raabe kam als 12-Jähriger zu der Musik seiner Großelterngeneration, als er eine Schellackplatte fand. Der gebürtige Lünener ging später nach Berlin, studierte Gesang und gründete zur Finanzierung seines Studiums das Palast Orchester. Heute gibt Raabe rund 150 Konzerte im Jahr und wenn man ihm dabei zuhört, dann fehlt bis hin zum gerollten „R“ eigentlich nichts, um sich in die 1920er Jahre zurück zu versetzen – außer dem Rauschen der Schellackplatte natürlich. Erstmalig präsentiert Raabe die Unterhaltungsmusik der Zwischenkriegszeit in einer großen Show. Das ist anders, als man es bisher gewohnt war: Ganz abseits des Minimalismus, mit dem Raabe bisher den „Kleinen grünen Kaktus“, „Ali Baba“ oder die „Schöne Lisa“ besungen hat. Ein Mann mit Fliege und pomadisiertem Scheitel, dazu das Orchester – mehr war nicht nötig. Jetzt aber kommt alles viel bunter daher, mit großartigen Kulissen, knapp bekleideten Revuegirls. Und nebenbei immer wieder Ausflüge in andere Reviere: Etwa in den alten italienischen Schlager oder in das New York Frank Sinatras.

Das Publikum war bisher trotzdem begeistert: In Hamburg, wo die Palast-Revue im vergangenen Jahr im Thalia-Theater Premiere feierte, genau so in Duisburg und sogar im April in New York. Als zu klamaukig empfindet der Schellack-Bariton seine neue Show nicht. Schließlich waren ja auch die Varietés der 20er Jahre ein großes Spektakel. Zudem will Raabe wohl auch nicht nur einem intellektuellen Comedian-Harmonists-Fanclub gefallen: „Es muss immer so sein, dass man sich vor seinen Eltern nicht schämen muss.“

Max Raabe muss sich nicht schämen. Kerzengerade steht er in der üppigen Showkulisse, die kontrollierte Mimik und Gestik scheint eine gewisse spöttische Distanz zu dem auszudrücken, was er leicht näselnd, aber mit geübter Bariton-Stimme vorträgt. „Salome, reich den Mund mir wie Blut so rot, deine Küsse sind süßer Tod“, heißt es da in einem der Hits von damals, „Hallo, was machst Du heut‘, Daisy?“ in einem anderen. Einerseits banal und naiv, aber auch ehrlich, rührend und sinnlich sind diese Lieder um Liebe und Freundschaft, die wohl gerade deshalb auch heute noch bei einem jüngeren Publikum so angesagt sind.

HOLGER ELFES