Die Osterweiterung

Das Museum Küppersmühle in Duisburg zeigt bis Anfang September die Ausstellung „The new Ten“ mit Künstlern aus den Beitrittsländern der EU

Anhand der Kunstwerke ist ein ungarischer von einem polnischen Künstler nicht zu unterscheiden

VON PETER ORTMANN

Am Anfang der künstlerischen Osterweiterung im Museum Küppersmühle stehen 1297 rotweissblaue böhmische Tüten, gefüllt mit Künstleratem. Die aktuelle Ausstellung am Duisburger Innenhafen zeigt mit „The New Ten“ einen Einblick in die Kunstszenen der frisch gebackenen Mitgliedsländer im Morgenland der Europäischen Union. Man kann jedoch nicht anhand der Kunstwerke einen ungarischen von einem polnischen oder von einem Künstler aus Litauen unterscheiden, schreibt Museumsdirektor Walter Smerling in seinem Katalogvorwort. Das muss auch so sein, auch in der erweiterten Union bleibt Kunst eben eine universelle Metasprache.

Doch unter diesem neuen spiegelnden Dach leben jetzt auch weitere Menschen aus dem Süden des Kontinents, die sich vorzugsweise wohl im Wasser bewegen. Die Videoinstallation „A roof for homo sapiens“ vom Zyprioten Theodoulos Gregoriou ist ein acht Kubikmeter Aluminium-Aquarium mit Spiegeldach und Meeresbodenlandschaft. Der Videobeamer schickt seine Bilder durch das kreisrundes Loch im Boden auf die reflektierende Fläche. So entsteht der Eindruck einer lebendigen Unterwasserlandschaft mit Tauchern die über dem Betrachter die Wasseroberfläche bevölkern.

Schon wird klar, dass keine besonderen künstlerischen Impulse von der Erweiterung ausgehen, die aktuellen Strömungen der internationale Kunstszene waren immer ziemlich morphogen und nie waren sie aus den Informationsbänken im Osten ausgeklammert. Das galt bereits in der Voreisenzeit der politischen Vorhänge, in der postsozialistischen Ära sowieso – kein Wunder also, dass die Videotechnik auch bei „The New Ten“ einen hohen Stellenwert besitzt. Auffallend ist das stille Amusement, das die east-productions sowohl im Film als auch in ihren zum Teil aufwändigen Installationen durchzieht: Die dreiköpfige Künstlergruppe Famous Five aus Lettland präsentiert einen lila Hochglanz-Sarg auf einer kreischend bunten Blumen-Pyramide. Nur wer die paar Stufen zum aufgeklappten Kopfteil erklimmt, kann das Video mit Naturaufnahmen betrachten. Video kills the radio star, Famous Five die neue Technik-Hysterie, wo Telefone fotografieren können und Fernseher in der Hosentasche ein neues Lebensgefühl suggerieren. Dieser Hype wird hier kurz nach dem offiziellen Beitritt des Baltikums von den drei KünstlerInnen bereits kultisch zu Grabe getragen, was Neue-Märkte-Strategen sicher nicht begeistern wird.

Auch Kristine Kursisa kommt aus Lettland. Sie zeigt in einem kleinen Kabuff mit Stil-Tapete und goldenem Stuck-Bilderrahmen ihren mystischen Schmunzel-Film „Woman and Wolves“. Unterlegt mit leiser spannungsgeladener Hintergrundmusik suggeriert er fast fünf Minuten lang eine merkwürdige, heimische Werwolf-Atmosphäre. Doch der Mann, von dem lange nur der Rücken zu sehen ist, verwandelt sich nicht. Er hängt nur ein fertiges Wolfsgöttinnen-Puzzle an die Wand. An den Wänden im Küppersmühle-Museum, die auch dem Duisburger Kunst-Sammler Hans Grothe als hochkarätige Ausstellungsorte dienen, ist nichts wirklich Überraschendes zu entdecken. Im Gedächtnis blieb nur „In the forest“ vom Slovaken Bohdan Hostinák – ein stilles, geheimnisvolles Ölbild mit Wald und einem Kind im Fliegenpilz-Kreis. Sein Landsmann Matej Krén ist mit seiner Installation „Omphalos“ wesentlich spektakulärer, obwohl auch bei ihm die Mythologie Pate gestanden hat. Wie bei einem Tumuli aus der Megalith-Kultur hat Krén unzählige Bücher zu einem kreisrunden Turm zusammengelegt, die Duisburger Stadtbücherei war hier sehr behilflich. Die Form wirkt monumental, in ihrem Innern glüht rotes Licht. Im Gegensatz zu den Grabstätten im französischen Carnac kann sein streng konzipierter Turm nicht betreten werden.

Damit schließt sich der Kreis zu Ivan Kafkas böhmischen Tüten aus dem Eingangsbereich. Der baut aus Speeren oder künstlichen Blumenstielen auch schon mal Hügel und Felder in Reithallen, Kirchen und Schlössern. Alle seine Installationen verwandeln mit Abgrenzungen die jeweiligen Räume. Immer können die Besucher diese nicht mehr direkt betreten. Das ist beim Tütenmeer nicht anders.

Beim Verlassen des Museums fallen Petras Mazuras exotische Bäume in Steinklumpen auf, die mit Hilfe eines ausgeklügelten Bewässerungssystems auch im Ruhrpott am Leben gehalten werden. Schön wird es in den neuen Mitgliedsländern werden.