Seine Geschichte, ihre Songs

Robert Habeck und Andrea Paluch erzählen in ihrem Buch „Sommergig“ vom jungen Tom, der sich der Liebe wegen an die Mädchenband seiner Schule ranschmeißt. Durch eine Website bekommt das Buch auf ungewöhnliche Weise autobiografische Komponenten

Tom ist 17, er geht auf’s Gymnasium und ist ein Groupie. Zumindest sieht er sich selbst so, als „Groupie mit umgekehrten Geschlechtsvorzeichen“. Denn Tom steht auf die Frauenband „Penny or Dime“ und mehr als die Musik interessiert ihn Penny, die Frontfrau.

Penny, Tom und die drei anderen Mädchen der Band gehen auf das gleiche Gymnasium. Tom, der in Wirklichkeit eher auf sein Hirn als auf seinen Körper stolz ist, übernimmt in der Band die Rolle des Beraters und Roadies. Ein Groupie ist Tom nicht, eher ein Narzisst, der mit der Rolle des Loosers kokettiert. Und der als zutiefst bürgerlich geprägter Kopfmensch herumlaboriert an der Frage, wie das nun geht mit ihm und Penny und der Liebe, deren körperliche Komponente für Tom ebenso interessant wie fremd ist.

Tom ist der Ich-Erzähler in dem Buch „Sommergig“ des Autoren- und Ehepaars Robert Habeck und Andrea Paluch. Als Leser ist man zunächst irritiert über diesen Tom mit seinen spätpubertären Nöten, man wundert sich über seine altklugen Erkenntnisse und über seine ebenso harmlosen wie ungeschickten Bagger-Strategien Marke „Willst du gelten, mach’ dich selten“. Bis man entdeckt, dass das Autorenduo Habeck/Paluch bereits mehrere Jugendromane veröffentlich hat. Und dass auch für „Sommergig“ gilt: ab 14 Jahren.

Der Witz an „Sommergig“ ist, dass am Ende des Buches Fiktion und Realität ineinander verschwimmen. Tom hat nach einigen Irrungen und einem atmosphärisch dicht geschilderten Gig in Kopenhagen herausgefunden, welches der Mädchen zu ihm passt. Er stellt die Songs von „Penny or Dime“ online und verspricht, dass er die „Sommergig“-Geschichte erst veröffentlichen wird, wenn seine neu gefundene Liebe gefestigt genug sein wird. Das Buch gibt es nun, und es gibt auch die Website www.penny-or-dime.de – dort sind die Songs zu hören, um die es im Buch geht. Geschrieben und gesungen von Autorin Andrea Paluch, die die reale Frauenrockband „Penny or Dime“ 2006 gegründet hat.

Seine Geschichte, ihre Band, das Spiel mit den Grenzen zwischen Fiktion und Realität – der „Sommergig“ hat eine Schlusspointe, die das Autorenpaar und deren Biographien in den Mittelpunkt stellt. Das Buch thematisiert von sich aus die Frage nach seinem autobiografischen Gehalt. Der allerdings wäre uninteressant, gäbe es da nicht eine gewisse Prominenz des Autors Robert Habeck.

Habeck, 39, ist neben seiner Tätigkeit als Autor Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein. Er lebt zusammen mit Andrea Paluch, Jahrgang 1970, und vier gemeinsamen Söhnen an der dänischen Grenze. Zusammen schreibt das Paar Romane, Kinderbücher, Theaterstücke und Hörspiele. Alleine schrieb Habeck das Sachbuch „Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann“, das diverse junge Väter in Redaktionen überregionaler Medien zu Rezensionen veranlasste. Für die taz schrieb Habeck Kommentare und Kolumnen, zuletzt in der taznord die Kolumne „Watching Obama“.

Als die Grünen 2008 einen neuen Bundesvorsitzenden suchten, lehnte Habeck mit Verweis auf seine Familie ab. Man könne nicht vier Kinder zeugen und sich danach aus dem Staub machen, um Bundesvorsitzender zu werden, sagte er. Der Politiker und Familienvater Habeck lebte vor, was der Autor Habeck ein paar Monate später in seinem Väter-Buch fordern sollte.

Die Rollen verschwimmen bei Habeck, sie bedingen einander und formen sich, sowohl privat als auch beruflich. Der „Sommergig“ benennt nun über die Fiktion das Autobiografische. Das ist ein neuer Kniff und wirkt ziemlich selbstverliebt, auch wenn es nicht so gemeint sein mag. Denn auf hundert Prozent Stimmigkeit ist der Schwenk ins Biographische dann doch nicht angelegt: Im Buch bekommt die männliche Hauptfigur am Ende die Schlagzeugerin. Im Leben bekam sie Andrea Paluch alias Sängerin Penny. KLAUS IRLER

Robert Habeck & Andrea Paluch: Sommergig. Sauerländer 2009. 160 Seiten, 12,90 Euro. Konzertlesung mit der Band Penny or Dime: 19. 3., 20 Uhr, Pumpe Kiel