Kölsche Marktschreier mit Handicaps

Einen Viktualienmarkt hat Köln jetzt auch. Was noch fehlt, ist ein Sortiment, das dem Münchner Original wenigstens annähernd ähnelt. Bisher gibt es auf dem Heumarkt nicht mal einen Obststand. Veranstalter versprechen: Kommt alles noch!

Aus Köln und MünchenThomas Spolert

Etwas neidisch schauen die Kölner derzeit nach Athen. Wie gerne würden auch sie einmal die Olympischen Spiele in ihre Stadt holen. Doch schon bei der nationalen Ausscheidung scheiterten die Rheinländer in der Qualifikation. „Was nur war schief gelaufen?“, fragten sich die Verantwortlichen. Bei ihrer gründlichen Ursachenforschung stießen sie auf einen Ort in Bayern: München. Dort fanden doch 1972 „die Spiele“ statt. Was nur hat München, was Köln nicht hat? Ein umfangreiches Dossier brachte es an den Tag: Es fehlt ein Viktualienmarkt! „Das können wir auch“, sprachen die Verantwortlichen. Dabei sein ist schließlich alles.

Nun steht er da, der kölsche Viktualienmarkt. Auf 3.000 Quadratmetern bieten seit Anfang August rund 20 Händler ihre Waren an. Vom Halven Hahn über ungarische Backwaren bis zu österreichischen Spezialitäten gibt es täglich außer sonntags von zehn bis 20 Uhr auf dem Heumarkt einfach alles. Und Preußen-König Friedrich-Wilhelm III schaut zufrieden von seinem Reiterdenkmal auf das bunte Treiben.

Genau besehen gibt es aber doch nur fast alles. „Es fehlen frisches Obst, Gemüse und Blumen“, nörgelt eine Kölnerin. Mit ihrem kleinen Rauhaardackel und ihrem Ehemann schlendert sie über den Markt. „Es könnte ein bisschen mehr Leben auf den Markt sein“, sagt sie angesichts von rund zwanzig weiteren Besuchern, die sich auf dem tristen Platz verlieren. Das Angebot müsse erweitert werden. Sabine Brückner vom Stand mit „Original Spreewälder Erzeugnissen“ ist auch nicht glücklich.

„Es ist gute Ware da, aber zu wenig Angebot“, bemängelt die Verkäuferin. Schräg gegenüber langweilt sich Felix Schröder. Von seinen 35 Sorten Senf hat er noch nicht viele verkauft. „Das Geschäft rentiert sich derzeit nicht“, verrät er ohne Umschweife. Den anderen Händlern in ihren einheitlich beigefarbenen Verkaufswagen mit weinroten Dekostoff geht es offenbar genauso.

Was einen richtigen Viktualienmarkt ausmacht, weiß Elfriede Kohlhuber. „Vielfalt, freundliche Verkäufer, frische Ware und das Flair“, sagt die Münchnerin spontan. Seit 14 Jahren verkauft sie Butter, Eier und Geflügel auf dem Münchner Viktualienmarkt. Die gelernte Industriekauffrau hatte im Patentamt gearbeitet, bevor sie den Stand in der vierten Generation übernahm.

In München gibt es neben frei stehenden Ständen fest installierte Pavillons. Die Waren lagern in Kühlhäusern am Platz. Auf 22.000 Quadratmetern verkaufen 140 Anbieter Blumen, Pflanzen, Obst, Gemüse, Südfrüchte und Wild. „Das ist der Feinschmeckermarkt von München“, sagt Elfriede Kohlhuber mit Stolz. Tatsächlich gibt es neben typischen Münchner Spezialitäten auch Sekt, Sushi und Trüffel. Bei Temperaturen von 30 Grad drängeln sich die Besucher um die Stände mit frisch gepressten Säften oder tummeln sich in den zwei vollbesetzten Biergärten unter Schatten spendenden Bäumen und stärken sich mit einer Brezn und einem Weißbier.

Bereits 1807 schuf König Max I. per Erlass den Viktualienmarkt, auf dem ursprünglich nur Getreide und andere Agrarerzeugnisse verkauft wurden. Das Wort „Viktualien“ ist ein spätlateinischer Ausdruck für Lebensmittel. Erst in der Nachkriegszeit entwickelte sich der ursprüngliche Bauernmarkt zum Einkaufsplatz für Feinschmecker. Trotz vieler Besucher läuft das Geschäft bei Irene Schwarz schlecht. „Das Angebot auf dem Viktualienmarkt und drum herum ist zu groß“, beklagt die Kartoffelhändlerin den seit acht Jahren anhaltenden Rückgang ihres Geschäftes. Auswärtige Kundschaft käme auch nicht mehr, weil die Parkplätze weniger geworden seien.

Mit Parkplätzen hat der Kölner Viktualienmarkt derweil keine Probleme. Schließlich befindet sich unter dem Heumarkt eine große Tiefgarage. Vielmehr muss schnell das Angebot erweitert werden. Das weiß auch Roswitha Pankok von der „RP Eventagentur Köln“. Die Agentur hat das Konzept für den kölsche Gourmetmarkt entwickelt und mit der Stadt Köln einen Vertag auf drei einhalb Jahre geschlossen. „Es soll sowohl ein Markt für Feinschmecker als auch für die ganz normale Hausfrau sein“, sagt Pankok. Deshalb verspricht sie auch, dass schnellstmöglich auch ein Obst- und Gemüse sowie ein Blumenstand eröffnen sollen. Insgesamt sollen in naher Zukunft 37 Händler auf dem Heumarkt stehen. Auch Wild, Tee, frische Kräuter und italienische Spezialitäten fehlten noch. „Ich wünsche mir außerdem eine große Salatbar“, verrät die Eventfrau.

Dass die Händler auf dem Kölner Viktualienmarkt nicht ganz glücklich sind, weiß Pankok. „Das Geschäft ist sehr vom Wetter abhängig“, erklärt sie. Ein zusätzliches Handicap sei der allabendliche Abbau des Marktes. Derzeit prüft die Stadt, ob auch feste Stände auf dem Kölner Viktualienmarkt möglich sind. Vielleicht kommen ja dann das Flair, die Besucher und eines Tages sogar die Olympiade.