„Es muss wieder chic sein, sich mit Kultur zu schmücken“

Franz Irsfeld, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Kölner Stadtrat, über die Sünden seiner Partei, Kulturförderung in Zeiten leerer Kassen, Wettbewerb und Kannibalisierung in der Theaterszene und die Verpflichtung privater Unternehmer für die freien Kulturschaffenden der Stadt

taz: Herr Irsfeld, Sie sitzen seit zwanzig Jahren für die SPD im Rat. Eins der großen Debakel der jüngsten Kölner Kulturpolitik geht auf die SPD zurück: das Loch am Neumarkt, wo das neue Kulturzentrum entstehen soll, aber bislang nicht entstanden ist. Der Abriss des Haubrichforums war ja noch eine Entscheidung unter SPD-Führung. Wie stehen Sie heute dazu?

Franz Irsfeld: Es war eine richtige Entscheidung, die alte Kunsthalle abzureißen und dort ein neues Haus für Kunsthalle und Rautenstrauch-Joest-Museum zu bauen. Dass dann aber nach dem Abriss nicht sofort mit dem Neubau begonnen wurde – weil sich die Stadt verkalkuliert hatte –, das ist ein Skandal.

Um das „Loch“ rankt sich noch die Diskussion um einen Kammermusiksaal...

...von dessen Notwendigkeit ich nach wie vor überzeugt bin. Aber er ist derzeit in dieser Form nicht zu bezahlen. Wir sollten in der SPD keine Fundamentalopposition betreiben und Forderungen aufstellen, von denen wir wissen, dass sie nicht finanzierbar sind. Darum mache ich hier jetzt auch keine Wahlversprechen.

„Nicht finanzierbar“ wie die Sanierung der Oper? Die verkam ja auch schon zu SPD-Zeiten.

Es stimmt, dass dort viel versäumt wurde. Zu unserer Entschuldigung kann ich nur sagen, dass die Stadt nie genug Geld hatte. Heimlich hofften alle Parteien, dass Schauspiel und Oper auch so noch ein paar Jahre durchhalten. Wir wollen die Sanierung am jetzigen Standort. Klar muss allerdings sein: Das geht nicht aus dem Kulturetat. Das ist eine Aufgabe für die ganze Stadt, und die muss entsprechend aus dem Gesamthaushalt finanziert werden.

Das größte Problem für eine aktive Kulturpolitik sind die leeren Kassen. Wie würden Sie, vorausgesetzt Sie hätten eine politische Mehrheit, Fördermittel verteilen zwischen „Leuchttürmen“ und „Humus“ einerseits, zwischen städtischen Institutionen und freier Szene andererseits?

Ich bin weder ein Freund so genannter Leuchttürme noch von Eventkultur. Ich möchte auch keinen Unterschied machen zwischen „Hoch“- und „Niedrig“-Kultur. Ich setze, wie es ja auch schon geschieht, auf Spitzenförderung statt Gießkanne. Qualität muss belohnt werden.

Kriterien dafür sind zum Beispiel beim Theater Auszeichnungen oder auch der Publikumszuspruch. Ob die Theaterhäuser oder einzelne Projekte oder beides gefördert werden, darüber lässt sich diskutieren. Die Künstler müssen jedenfalls wie bisher über die Kölner Theaterkonferenz in die Entscheidung über Förderkonzepte einbezogen werden.

In der Theaterszene hat diese Form der „Mitbestimmung“ und der „Spitzenförderung“ zur Kannibalisierung und teilweise zu Entsolidarisierung geführt. So hat sich ein Teil der Theaterkonferenz abgespalten. Soll das auch so weitergehen?

Eine Kannibalisierung wäre schlecht und natürlich nicht im Sinne der Kölner Kulturpolitik. Aber der Wettbewerb, die Konkurrenz muss sein – bei den Theatern, in der Kunst, in der Musik. Das ist unserer Gesellschaft angemessen und es dient auch der stetigen Qualitätsverbesserung der Kunst in der Stadt.

Wie wollen Sie den Kölner Privatleuten die Kulturförderung wieder schmackhaft machen?

Alle Kölner Museen gehen auf bürgerschaftliches Engagement zurück. Das hat hier also eine lange Tradition. Ich verstehe nicht, warum sich etwa die Gothaer Versicherung vom Atelierhaus Gothaer Kunstforum zurückzieht. Ich verstehe auch nicht, warum der Besitzer des Eisenbahnausbesserungsgeländes in Nippes den Künstlern dort ihre Ateliers gekündigt hat. Schließlich gibt es eine Verpflichtung des Eigentums. Wir brauchen ein Klima, in dem es wieder chic ist, sich mit der Förderung von Kultur zu schmücken.

Ein frommer Wunsch. Wie wollen Sie das erreichen?

Durch Vorbilder. Allen voran muss der Oberbürgermeister als Werber und Ansprechpartner für Kultur agieren. Der hat nach der gescheiterten Olympiabewerbung immerhin erkannt, dass auch die Kultur ein Werbefaktor ist. Die Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas 2010 ist dann allerdings am Kleingeist gescheitert.

Interview: Jürgen Schön,
Sebastian Sedlmayr