Berliner Grüne wollen BVG zerschlagen

Bei ihrer Klausurtagung im brandenburgischen Linow hat die grüne Fraktion beschlossen, die Bereiche Gleise und Wagen vom Unternehmen zu trennen. Im Zuge dieser Liberalisierungspolitik soll die Rest-BVG ab 2010 mit anderen Unternehmen um Zuschlag des Landes konkurrieren

Die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will die landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zerschlagen. Darauf hat sie sich mit deutlicher Mehrheit bei ihrer Klausurtagung im brandenburgischen Linow festgelegt. In einer Zerschlagung sieht die Fraktion den einzigen Ausweg aus der katastrophalen Finanzlage des hoch verschuldeten und hoch bezuschussten Unternehmens.

Tunnel, Gleise, Busse und Bahnen sollen demnach 2008 zu einer landeseigenen Infrastrukturgesellschaft zusammengefasst werden. Bei der alten BVG sollen allein die Bus- und Bahnfahrer bleiben. Als reiner Personaldienstleister soll sie mit anderen Transportfirmen darum konkurrieren, Busse und Bahnen durch Berlin fahren zu können.

Die Grünen gehen damit einen Mittelweg zwischen Privatisierung und reiner Staatswirtschaft. Wer letztlich die Fahrgäste durch Berlin kutschiert, soll der Wettbewerb klären. Mit dem Netz aber bleibt beim Land auch die Möglichkeit, konkrete Vorgaben für den öffentlichen Nahverkehr zu machen. Und zwar stärker als bisher: Derzeit plant die BVG weitgehend autonom die Leistungen, die sie selbst erbringt.

2008 ist das entscheidende Datum, weil dann nach Kriterien der Europäischen Union auch im öffentlichen Nahverkehr Wettbewerb herrschen muss. Um den Start in den freien Markt abzumildern, soll die BVG 2008 letztmals ohne Ausschreibung für bis zu acht Jahre den Zuschlag für das komplette Netz erhalten. Schon ab 2010 aber sollen einzelne Bereiche – angefangen mit dem Busnetz – auch Konkurrenten angeboten werden. Damit sich auch die BVG an diesen Ausschreibungen beteiligen kann, soll sich formell privatisiert und in eine GmbH oder AG umstrukturiert werden.

Der Netzzuschlag setzt aber voraus, dass die BVG sich bis dahin zu einem dem Marktdurchschnitt entsprechenden Unternehmen entwickelt. Dieses Ziel hatte schon ein vor Jahren beschlossenes Sanierungskonzept. Politiker aller Parteien haben sich jedoch zunehmend skeptisch geäußert, dass die BVG diese Ziele wirklich erreicht.

Das hinterlässt ein mulmiges Gefühl auch bei Grünen-Parlamentariern, die die Zerschlagung stützten. Eine Abgeordnete machte am Rande folgenden Vergleich auf: Das sei, wie einem Hauptschüler eine Zukunft zu versprechen für den Fall, dass er den Abschluss schafft – auch wenn schon glasklar sei, dass das illusorisch ist.

Dennoch sah die Fraktion mehrheitlich keine Alternative zu dem jetzt beschlossenen Konzept. Die Umweltpolitikerin und Privatisierungskritikerin Felicitas Kubala, die auf die BVG als „starken Partner“ statt auf eine Vielzahl von Wettbewerbern setzte, konnte sich mit ihrer Argumentation nicht durchsetzen. Finanzpolitiker Jochen Esser hatte nochmals drastisch vor Augen geführt, in welchem Missverhältnis der jährliche 430-Millionen-Zuschuss für die BVG zu anderen Bereichen steht: Etwa genauso viel gibt das Land für die komplette Kulturförderung aus, gerade mal 230 Millionen sind im Haushalt für Arbeitsmarktpolitik eingeplant.

Der Zerschlagungsbeschluss gewinnt für die BVG dadurch an Bedeutung, weil er von einer Regierungspartei in spe kommt. Denn die Grünen sind nach derzeitigen Umfragen nach 2006 an jeder realistischen Senatskoalition außer Schwarz-Rot beteiligt. „Ohne uns wird die nächste Regierung nicht gebildet“, hatte Landesparteichef Heyer-Stuffer jüngst im taz-Interview gesagt. Dabei halten sich die Grünen weiter alle Optionen offen und schließen trotz kaum vereinbarer Positionen in der Innenpolitik grundsätzlich auch eine Koalition mit der CDU nicht aus. Bei der Europawahl Mitte Juni waren die Grünen stärkste Partei in Berlin geworden. STEFAN ALBERTI